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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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der im Gefüge der Realität einen kleinen, aber deutlich wahrnehmbaren Riss entdeckt hatte. Allein dass die beiden da waren, genügte mir schon. Ich trat vor sie und streckte Pedro die rechte Hand hin, die mit der Sonnenbrille.
    »Wie würden Sie das nennen?«, fragte ich, indem ich die beiden unterbrach, ohne mir die Mühe zu machen, mich zu entschuldigen oder sonst was.
    Er musterte mich mit einem nachdenklichen Blick, der besagte: »Ihre Unhöflichkeit überrascht mich, Mr. Staley, wirklich wahr«, dann blickte er auf meine Hand hinunter. Als er sekundenlang nichts sagte, ergriff eine schreckliche Idee Besitz von mir: Er sah nichts, weil es nichts zu sehen gab. Bloß meine ausgestreckte Hand, als wäre heute Verkehrter Dienstag und ich erwartete ein Trinkgeld von ihm . Meine Hand war leer. Klar war sie das, sie musste leer sein, weil Sonja D’Amicos Sonnenbrille nicht mehr existierte. Sonjas Scherzbrille war echt long-time gone .
    »Das nenne ich eine Sonnenbrille, Mr. Staley«, sagte Pedro schließlich. »Wie sollte ich’s sonst nennen? Oder ist das eine Art Fangfrage?«
    Rafe, der FedEx-Mann, der eindeutig interessierter war, nahm sie mir aus der Hand. Meine Erleichterung darüber, ihn mit der Brille in der Hand dastehen und sie betrachten, sie fast studieren zu sehen, glich dem Gefühl, wie wenn jemand einem genau die Stelle zwischen den Schulterblättern kratzt, die grässlich juckt. Er trat unter der Markise hervor, hielt sie ins Tageslicht hoch und ließ von den herzförmigen Gläsern je einen Sonnenstern aufblitzen.
    »Genau wie die, die das kleine Mädchen in diesem Pornofilm mit Jeremy Irons getragen hat«, sagte er schließlich.
    Ich musste trotz meiner Sorge grinsen. In New York sind sogar die Ausfahrer Filmkritiker. Das gehört zu den Dingen, die ich an dieser Stadt liebe.
    »Richtig, Lolita«, sagte ich und nahm die Brille wieder an mich. »Nur kommt die Sonnenbrille mit herzförmigen Gläsern in der Fassung vor, bei der Stanley Kubrick Regie geführt hat. Damals, als Jeremy Irons noch nichts anderes als ein Putter war.« Das war kaum verständlich (sogar für mich), aber mir war das scheißegal. Mir war wieder albern zumute … aber auf keine gute Art. Diesmal nicht.
    »Wer hat in dem den Perversling gespielt?«, fragte Rafe.
    Ich schüttelte den Kopf. »Hol mich der Teufel, wenn ich’s gerade weiß.«
    »Nehmen Sie’s mir nicht übel«, sagte Pedro, »aber Sie sehen reichlich blass aus, Mr. Staley. Haben Sie sich irgendwas geholt? Vielleicht die Grippe?«
    Nein, das war meine Schwester, hätte ich beinahe gesagt. An dem Tag, als ich nur etwa zwanzig Sekunden davon entfernt war, erwischt zu werden, wie ich mit dem Bild von Miss April vor Augen in ihren Slip masturbiere. Aber ich war nicht erwischt worden. Nicht damals und auch am 11. September nicht. Ätsch, reingelegt, wieder das Rennen gegen die Uhr gewonnen. Ich konnte nicht für Warren Anderson sprechen, der mir im Blarney Stone erzählt hatte, er habe an dem bewussten Morgen im zweiten Stock haltgemacht, um mit einem Freund über die Yankees zu reden, aber nicht erwischt zu werden, war regelrecht zu meiner Spezialität geworden.
    »Mir fehlt nichts«, erklärte ich Pedro, und obwohl das nicht stimmte, bewirkte das Wissen, nicht der Einzige zu sein, der Sonjas Scherzbrille als einen tatsächlich auf der Welt existierenden Gegenstand wahrnahm, dass ich mich zumindest etwas besser fühlte. Wenn die Sonnenbrille existierte, galt das vermutlich auch für Cleve Farrells Hillerich & Bradsby -Schläger.
    »Ist das die Brille?«, fragte Rafe plötzlich in respektvollem, fast ehrfürchtigem Ton. »Die aus dem ersten Lolita -Film?«
    »Ach was«, sagte ich und klappte die Bügel hinter den herzförmigen Gläsern zusammen, und während ich das tat, kam mir plötzlich der Name des Mädchens in der Kubrick-Verfilmung in den Sinn: Sue Lyon. Wer den Perversling spielte, fiel mir immer noch nicht ein. »Bloß’ne Imitation.«
    »Ist an der was Besonderes dran?«, wollte Rafe wissen. »Sind Sie deshalb hier runtergerannt gekommen?«
    »Keine Ahnung«, sagte ich. »Irgendwer hat sie in meiner Wohnung zurückgelassen.«
    Ich fuhr wieder hinauf, bevor sie weitere Fragen stellen konnten, und sah mich in der Hoffnung um, es gebe keine weiteren Dinge zu entdecken. Aber es gab welche. Außer der Sonnenbrille und dem Baseballschläger mit dem seitlich eingebrannten Wort SCHADENSREGULIERER fand ich ein Furzkissen der Marke Howie’s Laff-Riot, eine große

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