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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Scarborough an John Seigenthaler – oder wer sonst an diesem Abend Tom Brokaw vertrat – übergab.
    Auf dem Heimweg kehrte ich im Fun Choy ein, um eine frische Portion von General Tso’s Chicken mitzunehmen. »Letzte nicht gut?«, fragte Rose Ming an der Kasse. Das klang leicht besorgt. »Sie sagen, warum.«
    »Nein, die letzte war in Ordnung«, sagte ich. »Ich hatte heute Abend nur Lust auf zwei.«
    Sie lachte, als wäre dies das Komischste, was sie je gehört hätte, und ich lachte mit. Schallend laut. Die Art Lachen, die weit über Albernheit hinausgeht. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich zuletzt so gelacht hatte, so laut und so natürlich. Bestimmt nicht mehr, seit Light and Bell,Versicherungen, auf die West Street gestürzt war.
    Ich fuhr mit dem Aufzug in mein Stockwerk hinauf und ging die zwölf Schritte zu 4-B. Ich fühlte mich, wie Schwerkranke sich fühlen müssen, wenn sie eines Morgens erwachen, sich im nüchternen Licht des Tages begutachten und entdecken, dass das Fieber überstanden ist. Ich klemmte mir die Essenstüte unter den linken Arm (eine linkische Haltung, aber für kurze Zeit praktikabel) und sperrte dann die Tür auf. Ich machte Licht. Dort, auf dem Tisch mit Rechnungen, die bezahlt werden mussten, Abholscheinen und Mahnungen für überfällige Bibliotheksbücher, lag Sonja D’Amicos Scherzsonnenbrille, die mit dem roten Gestell und den herzförmigen Lolita-Gläsern. Sonja D’Amico, von der Warren Anderson (der meines Wissens einzige weitere überlebende Angestellte aus dem Hauptsitz von Light and Bell) mir erzählt hat, sie sei aus dem hundertzehnten Stock des brennenden Gebäudes gesprungen.
    Er behauptete, ein Foto gesehen zu haben, das ihren Sturz festhielt: Sonja, deren Hände sittsam ihren Rock festhielten, damit er nicht über die Schenkel hochgeweht wurde, ihr Haar vor dem Rauch und dem blauen Himmel jenes Tages zu Berge stehend, ihre Schuhspitzen nach unten zeigend. Bei dieser Beschreibung musste ich an das Gedicht Falling denken, das James Dickey über eine Stewardess geschrieben hat, die mit ihrem wie ein Stein fallenden Körper irgendwo Wasser zu treffen versucht, als könnte sie lächelnd daraus auftauchen, sich Wasserperlen aus dem Haar schütteln und eine Coca-Cola verlangen.
    »Ich hab mich übergeben müssen«, hatte Warren mir damals im Blarney Stone erzählt. »Ich will niemals mehr ein Foto dieser Art sehen, Scott, aber ich weiß, dass ich’s nie vergessen werde. Man konnte ihr Gesicht erkennen, und ich denke, sie hat geglaubt, irgendwie … jawohl, irgendwie werde alles gut ausgehen.«
     
    Ich habe als Erwachsener nie laut gekreischt, aber nun tat ich es beinahe, als ich von Sonjas Sonnenbrille zu Cleve Farrells Schadensregulierer hinübersah, Letzterer lehnte wieder nonchalant in der Ecke am Durchgang zum Wohnzimmer. Irgendein Teil meines Verstands muss sich daran erinnert haben, dass die Tür zum Flur offen stand und beide Nachbarn im vierten Stock mich hören würden, wenn ich kreischte; dann wären ein paar Erklärungen fällig gewesen, wie man so schön sagt.
    Ich schlug mir eine Hand vor den Mund, um den Aufschrei zurückzuhalten. Die Tüte mit General Tso’s Chicken fiel auf den Hartholzboden der Diele und platzte auf. Ich konnte mich kaum dazu überwinden, die Schweinerei vor meinen Füßen anzusehen. Diese dunklen Klumpen aus gekochtem Fleisch hätten alles Mögliche sein können.
    Ich ließ mich auf den einzelnen Stuhl fallen, den ich in der Diele stehen habe, und verbarg das Gesicht in den Händen. Ich kreischte nicht und ich weinte nicht, und nach einiger Zeit war ich imstande, die Schweinerei aufzuwischen. Mein Verstand wollte ständig zu den Dingen zurück, die mich auf dem Heimweg von der Ecke 75th Street und Park Avenue überholt hatten, aber das ließ ich nicht zu. Immer wenn er versuchte, in diese Richtung auszubrechen, riss ich ihn an der Leine zurück.
    In dieser Nacht hörte ich, während ich im Bett lag, Gesprächen zu. Erst sprachen die Dinge (mit leisen Stimmen), und dann antworteten die Leute, denen sie gehört haben (mit etwas lauteren Stimmen). Manchmal sprachen sie über das Picknick in Jones Beach – über den Kokosnussduft von Sonnenmilch und wie aus Misha Bryzinskis Lautsprecher immer wieder Lou Begas »Mambo No. 5« gekommen war. Oder sie sprachen über Frisbees, die unter dem Himmel segelten, während sie von Hunden gejagt wurden. Manchmal diskutierten sie auch über Kinder, die in Shorts und Badeanzügen mit

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