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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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vermurkst. Ich nehme an, sie war neugierig, und bin mir sicher, dass sie eine gewisse Aufrichtigkeit in meiner Stimme hörte.Außerdem hatte sie sich bestimmt schon gesagt, wenn ich einer dieser Männer wäre, die sich einen Spaß daraus machen, Frauen aufzureißen, hätte ich es wohl an jenem Augusttag versucht, an dem ich in ihrer Wohnung mit ihr allein gewesen war – der schwer zu fassende Edward aber in Frankreich oder Deutschland. Und ich fragte mich natürlich, wie viel echte Verzweiflung sie in meinem Gesicht sah.
    Jedenfalls erklärte sie sich einverstanden, am Freitag mit mir in Donald’s Grill in unserer Straße zu Mittag zu essen. Donald’s ist vermutlich das unromantischste Restaurant in ganz Manhattan – gutes Essen, Neonröhren und Kellner, die einem zu verstehen geben, dass man sich gefälligst beeilen soll. Das tat sie mit der Miene einer Frau, die eine überfällige Schuld begleicht, die sie fast vergessen hat. Das war nicht gerade schmeichelhaft, aber mir genügte es. Mittag sei ihr recht, sagte sie.Wenn ich in der Eingangshalle auf sie wartete, könnten wir miteinander hingehen. Ich erklärte ihr, das sei auch mir recht.
    Die folgende Nacht war für mich eine gute. Ich schlief fast sofort ein, und es gab keine Träume von Sonja D’Amico, die mit den Händen an ihren Schenkeln wie eine Stewardess auf der Suche nach Wasser an dem brennenden Gebäude vorbei in die Tiefe stürzte.
     
    Als wir am folgenden Tag die 86th Street hinunterschlenderten, fragte ich Paula, wo sie gewesen sei, als sie es gehört habe.
    »San Francisco«, sagte sie. »Habe fest in einer Suite im Hotel Wradling mit Edward neben mir geschlafen, der zweifellos wie üblich geschnarcht hat. Ich wollte am zwölften September hierher zurückfliegen, und Edward musste zu Besprechungen nach Los Angeles. Die Hoteldirektion hat doch tatsächlich Feueralarm ausgelöst.«
    »Das muss ein Mordsschreck für Sie gewesen sein.«
    »Allerdings, obwohl ich im ersten Augenblick nicht an einen Brand, sondern an ein Erdbeben gedacht habe. Dann ist diese körperlose Stimme aus den Lautsprechern gekommen und hat uns mitgeteilt, dass es im Hotel kein Feuer gibt, aber dafür ein verdammt großes in New York.«
    »Jesus.«
    »Die Nachricht so zu hören, im Bett in einem fremden Zimmer … sie von der Decke herab zu hören, als würde Gottes Stimme sprechen …« Sie schüttelte den Kopf. Sie hatte die Lippen so fest zusammengepresst, dass ihr Lippenstift fast verschwand. »Das war sehr beängstigend. Ich verstehe irgendwie den Drang, eine Nachricht dieser Art sofort weiterzugeben, aber ich habe der Direktion des Wradling noch immer nicht ganz verziehen, dass sie diese Methode gewählt hat. Ich glaube nicht, dass ich dort nochmal übernachten werde.«
    »Ist Ihr Mann zu seinen Besprechungen gereist?«
    »Die wurden abgesagt.An diesem Tag sind viele Besprechungen abgesagt worden, vermute ich mal.Wir sind bei laufendem Fernseher bis Sonnenaufgang im Bett geblieben und haben versucht, das Geschehene zu begreifen. Sie verstehen, was ich meine?«
    »Ja.«
    »Wir haben auch darüber gesprochen, wer dort gewesen sein könnte, den wir kennen. Ich vermute, dass wir nicht die Einzigen waren, die das getan haben.«
    »Ist Ihnen jemand eingefallen?«
    »Ein Makler von Shearson Lehman und der zweite Geschäftsführer der Buchhandlung Borders im Einkaufszentrum«, sagte sie. »Einer der beiden ist heil davongekommen. Einer der beiden … nun, Sie wissen schon, einer hatte Pech. Und wie war’s bei Ihnen?«
    Also musste ich mich dem Thema doch nicht auf Umwegen annähern. Wir waren noch nicht einmal im Restaurant, und schon war es aufs Tapet gekommen.
    »Ich wäre dort gewesen«, sagte ich. »Ich hätte dort sein sollen . Ich habe dort gearbeitet. Bei einer Versicherung im hundertzehnten Stock.«
    Sie blieb auf dem Gehsteig abrupt stehen und sah mit weit aufgerissenen Augen zu mir auf. Für die Leute, die einen Bogen um uns machen mussten, sahen wir vermutlich wie ein Liebespaar aus. »Scott, nein!«
    »Scott, ja«, sagte ich. Und erzählte endlich jemandem, wie ich am 11. September aufgewacht war und damit gerechnet hatte, alles das zu tun, was ich normalerweise an Werktagen tat: von der Tasse schwarzen Kaffee beim Rasieren bis zum Becher Kakao vor der Nachrichtenrundschau auf Channel Thirteen. Ein Tag wie jeder andere, an mehr dachte ich nicht. Das hatten wir Amerikaner uns angewöhnt, für unser gutes Recht zu halten, glaube ich. Aber sieh nur! Das ist ein

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