Super Nova (German Edition)
Weiter links gab es einen Toilettenraum, eine Miniküche und noch zwei Büroräume.
Wie gewohnt wollte ich in Paps’ Zimmer mit der Arbeit begi n nen. Dort war alles so geblieben, wie er es damals verlassen hatte. Sogar sein Schreibtisch und der braune Ledersessel waren noch da. Torben hatte nichts verändert. Selbst der alte Kakteenbusch gedieh noch auf der Fensterbank. Oma hatte ihn Paps bei der Eröffnung geschenkt. Er blühte gerade schöner denn je und war ein Stück Erinnerung an eine Zeit, in der mein Leben um einiges leichter gewesen war.
Ich ging an diesem Morgen zuerst in die kleine Küche und setzte einen Kaffee auf, da ich zu Hause nicht gefrühstückt hatte. Dann schaltete ich das Radio an und fühlte mich augenblicklich heimisch. Neben dem Toilettenraum gab es noch eine kleine Abstellkammer, in der die Putzmittel, der Staubsauger und alle weiteren Utensilien standen, die ich benötigte. Doch zu vor wollte ich lüften und ging ganz unbekümmert in Paps’ Zimmer. Als ich die Tür öffnete und mein Kopf verarbeitete, was meine Augen sahen, erlebte ich einen gewaltigen Gefühlsausbruch.
Während mein Körper erstarrte und sich ein unbewusstes L ä cheln in meinem Gesicht manifestierte, rang ich um Contenance. Ich durfte die Fassung nicht verlieren.
Shiva saß in Vaters Sessel über einem Aktenberg und las intere s siert.
Als er mich bemerkte, blickte er auf.
Da war es wieder, dieses süße Kribbeln. Stärker als je zuvor. Mein Herz machte einen gewaltigen Sprung – diesmal nicht vor Angst, sondern vor Freude. Ich muss dagestanden haben wie fes t gemeißelt und schaute ihn permanent an.
»Guten Morgen! Ist es schon so spät?«, begrüßte er mich und blickte auf die Uhr an der Wand. Ich bekam keinen Ton heraus und starrte ihn weiter an. »Torben sagte mir, du kommst kurz nach acht. Ich bin gleich fertig und werde dann gehen«, erklärte er und seine samtige Stimme streichelte meine Seele. Es dauerte eine Weile, bis der Inhalt seiner Worte mein Hirn erreichte.
»Ich, ich bin … etwas früh dran. Bleib nur. Bleib, solange du willst, ich meine, solange du musst!«, stotterte ich und blickte verl e gen zu Boden. Shiva hingegen blieb ernst – wie immer. Da war kein Lächeln, keine Mimik, die ihn je verriet. Da war nur dieses wunde r schöne, engelsgleiche Gesicht, dessen Augen mich auf kuriose Art liebkosten.
»Es dauert nicht mehr lange. Ich muss einen Fall von Torben zu Ende bringen. Montag hat er eine Gerichtsverhandlung, aber ich bin fast fertig«, berichtete Shiva sachlich und wandte sich wieder der Akte zu. Ich schwieg, ging rückwärts aus dem Zimmer und schloss die Tür.
Als ich alleine im Vorraum stand, dachte ich an eine Halluzinat i on. War er wirklich da drinnen? In Paps’ Zimmer? Saß er in seinem Sessel? Ich traute meinen eigenen Augen nicht und musste mich davon überzeugen. Also ging ich noch mal hinein.
Ja, da war er – Shiva.
Er saß genau vor mir und blickte wieder auf. »Ja?«, hauchte er.
Was sollte ich nun sagen? Zu blöd …
»Äh, ich … koche gerade Kaffee. Möchtest du eine Tasse?«, brachte ich mühsam heraus.
»Danke, gerne. Schwarz bitte!« Seine Augen wanderten sofort zu dem dicken Ordner zurück, der vor ihm aufgeschlagen lag. Ein zweites Mal verließ ich den Raum und schwebte zurück in die Küche. Wieso war er wieder da? Weshalb hatte mir Rania nichts erzählt? Tausend Fragen schossen mir durch den Kopf, während ich für ihn den Kaffee einschenkte. Ich musste aufpassen, nichts zu verschütten, so aufgeregt war ich.
Er hatte mit mir geredet, zum ersten Mal hatte er richtig mit mir geredet! Ich konnte es nicht glauben und fühlte mich plötzlich wie ein Bär im Honigparadies. Irgendwie schaffte ich es, den Kaffee an seinen Schreibtisch zu bringen, ohne ihn aus der Hand fallen zu lassen. Shiva schaute auf. »Danke«, sagte er mit gedämpfter Stimme und sein Blick blieb an mir haften.
Ich genoss jede Sekunde, in der er mich ansah. Sein Blick war so warm und vertraut. Die Kuppel, die uns einst umgab, war zurück. Am liebsten wollte ich bis in alle Ewigkeit hier stehen bleiben, doch ich musste schnellstens gehen. Ich hatte Angst, wieder umzukippen, und spürte, wie meine Beine stetig weicher wurden und das Zimmer zu schwanken begann, aber vielleicht schwankte auch ich.
Alles war so weich und leicht, als würde ich mich auf einer Wolke befinden. Mit einer ungeahnten Beherrschung brach ich unseren Blickkontakt, starrte nach unten, drehte mich um und ging schwe i
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