Super Nova (German Edition)
auf der Bank saß. Unsere Augen hafteten die ganze Zeit fest aneinander, unsere Blicke regierten das Sein. Keiner von uns sagte etwas, wir hüllten uns in Schweigen und wieder einmal verlor ich das Zeitgefühl … Alles um mich herum verschwamm in bunten Farben. Ich fühlte mich wie im Garten Eden, bevor mich ein Teufel namens Rania unsanft auf die Erde zurückholte. Sie zog mich von ihm weg. Ich stolperte und wäre fast gefallen. »Was soll das?«, fuhr ich sie an.
Böse schaute sie zu Shiva und hielt mich dabei weiter fest.
»Deine Mutter wartet auf dich, sie möchte zu Abend essen, ich war eben bei ihr. Und es liegt ein Zettel auf deinem Bett, da steht der Termin drauf. Gleich übermorgen. Ich fahre mit dir hin, dann wirst du sehen, dass ich recht habe!«, sagte sie gereizt und ließ Shiva keine Sekunde aus den Augen.
Sein Blick war unergründlich und tief. Ich wollte jetzt nicht g e hen, sondern ihn noch länger ansehen. Doch Rania zerrte mich in Richtung Cottage, schob mich sogar zur Haustür rein und zog von außen zu. Total verwirrt schlich ich in die Küche und konnte gerade noch sehen, wie Rania zu Shiva ging und ihm etwas sagte. Sie unterhielten sich! Eifersucht, die pure Eifersucht überkam mich. Was trieb Rania da für ein falsches Spiel? In mir entbrannte ein Hass, den ich noch nie zuvor gespürt hatte. Rania war im Begriff, meine ärgste Rivalin zu werden, und sie kämpfte mit barbarischen Mitteln um den Mann meiner Träume. Ich konnte nur gewinnen, wenn ich ihr endlich bewies, dass ich definitiv nicht schwanger war. So groß meine Angst vor Ärzten auch sein mochte: Ich sehnte den Freitag herbei, denn nachmittags um sechzehn Uhr hatte ich einen Termin. Jedenfalls stand das auf dem Zettel, der auf meinem Bett lag. Doch zuvor galt es, den Donnerstag zu überstehen.
Der Vormittag verging wie im Flug, nachmittags hatte ich einige Aufgaben für die Schule zu erledigen und danach putzte ich unser Cottage. Babette saß währenddessen verträumt in ihrem Schlafzi m mer, hatte die Gardinen beiseitegeschoben und genoss den Ausblick auf den grünen Rasen im Garten. Die Sonne lachte vom Himmel, der nahende Frühling war nicht mehr aufzuhalten.
Gegen neunzehn Uhr rief Maria bei mir an: »Ich komme gerade vom Yoga und war danach so ausgepowert, dass meine Augen etwas zu groß waren. Ich habe eine riesige Familienpizza mitgebracht, die wir niemals alleine schaffen. Komm bitte zu uns zum Abendbrot und bring deine Mutter mit! Torben und Rania sind auch da«, lud sie uns ein.
Ich konnte nicht von mir behaupten, dass ich mich auf Rania freute. Allein der Gedanke an sie reichte und mein Unmut blühte von Neuem auf. Aber ich wollte Maria nicht enttäuschen und so ging ich schließlich mit Babette zu ihnen.
Die Schreibers saßen im Wohnzimmer um den runden Tisch, auf dem die große Pizza stand. Im ganzen Haus duftete es nach Oreg a no und gebackenem Teig. Wir aßen gemeinsam und ich blieb vorerst von Ranias Anspielungen verschont. Maria erzählte von ihrem Yoga-Kurs, Torben plauderte über eine Gerichtsverhandlung, die demnächst anstand, und Babette knabberte wie immer schweigend an ihrer Pizza.
Als meine Mutter nach dem Essen die Toilette aufsuchte, räumte Maria gerade das Geschirr in die Spülmaschine und Torben machte sich an seinem neuen Handy zu schaffen. Rania saß mir mit gesen k tem Kopf gegenüber und ich betete dafür, dass sie den Mund halten würde. Plötzlich hörte ich einen lauten Schrei aus dem Flur.
»NEIN! Nein, oh nein!«, schrie jemand.
Mein Herz rutschte in die Hose … Das war Babette!
Sie schrie!
Ich sprang auf und rannte in die Lobby, Rania und Torben liefen hinter mir her. Maria war auch schon da und hielt einen triefenden Teller in der Hand. Meine Mutter kauerte vor der Badezimmertür und starrte ängstlich auf die Treppe.
Dort stand Shiva!
Babettes große dunkle Augen quollen furchterfüllt heraus und sie wirkte wie versteinert. Ich erlebte alles in Zeitlupe. Torben hechtete zu ihr und zog sie hoch, Maria legte den Teller mitten in der Lobby auf die Fliesen, kam näher und strich meiner Mutter fortwährend über den Rücken. Beide führten sie zurück ins Wohnzimmer und redeten beruhigend auf sie ein. Dabei hätte ich besänftigenden Zuspruch viel nötiger gehabt. Als ich meine Mutter das letzte Mal schreien hörte, starb mein Vater. Ihr vorletzter Schrei galt dem Verschwinden meiner Schwester, dazwischen herrschte jahrelanges Schweigen. Wem galten diese Schreie? Was würde als
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