Super Nova (German Edition)
Stuhl zu kippen. Nun wurde die nächste Frau in den Behandlungsraum gerufen. Ich blickte kreidebleich zur Uhr: Es war inzwischen schon halb fünf. Nur noch ein paar Minuten, vie l leicht Sekunden – mir wurde übel. Richtig übel.
Ich musste würgen und hielt mir die zittrige Hand vor den Mund. Rania drehte sich zu der Frau neben mir, die mich angewidert anstarrte. »Sie bekommt ein Baby«, flüsterte Rania und die Frau quälte sich ein Lächeln heraus.
»Ach so!« Damit war mein Würgereflex für die Dame begründet. Es gongte wieder und in dem Moment spürte ich einen solchen Schmerz in meinen Rippen, dass mir die Luft wegblieb.
»Frau Reich, bitte Zimmer eins!«
Rania wollte schon aufstehen, als eine Frau, die eben erst das Wartezimmer betreten hatte, ihre Jacke auszog und sogleich in der Eins verschwand. »Rania, ich kann nicht mehr, ich muss zur Toile t te, dringend!«, japste ich und sie ging mit mir. Ich stürmte aus dem Wartezimmer und an der Anmeldung vorbei. Auf der Toilette musste ich mich dann übergeben, das erste Mal seit Tagen! Rania verbrachte einige Zeit mit mir im Waschraum. Ich spülte meinen Mund mehrfach aus und wärmte meine eisigen Hände unter einem warmen Wasserstrahl am Waschbecken.
»Stella, wir müssen wieder rein, du bist gleich dran!«, sagte Rania nach einer Weile leicht fordernd.
»Ich schaff das nicht, ich schaff das einfach nicht! Von mir aus bin ich auch schwanger, mir ist alles egal! Ich habe furchtbare Angst und will hier weg … Ich kann es nicht beschreiben, es ist der blanke Horror für mich!«
»Du hast es schon so weit geschafft, gib jetzt nicht auf! Es pa s siert dir gar nichts, es ist wirklich nicht schlimm«, redete sie auf mich ein und schleifte mich in das Wartezimmer zurück. Die Uhr verriet, dass es schon fünf war. Alle Frauen, die zuvor hier saßen, mussten bereits dran gewesen sein, denn zwei neue Gesichter begrüßten uns, als wir eintraten.
Meine Odyssee ging weiter. Der nächste Gong bat die rothaarige Frau, die mir gegenübersaß, in Behandlungsraum eins. Allmählich wurde auch Rania nervös.
»Das darf doch nicht wahr sein! Wir waren vor einer Stunde b e stellt. Warte jetzt, ich frage nach, was das soll!« Dann ließ sie mich auch noch alleine. Sehnsüchtig wartete ich darauf, dass sie wiede r kam. Wenn die Schwester mich jetzt aufrufen würde, würde ich es alleine nicht schaffen, durch eine der Türen zu gehen. Meine Lippen bebten und alles an mir schlotterte. Ein junges Mädchen kam ins Wartezimmer, doch von Rania keine Spur.
»Frau Seifert, bitte Behandlungsraum zwei!«
Mein Körper würde diesen Strapazen nicht mehr lange standha l ten können. Mein Herz, mein Puls – alles spielte verrückt. In der linken Körperhälfte überkam mich ein stechender Schmerz, in meinem Schädel dröhnte es und mir war so eisig kalt. Endlich kam Rania wieder!
»Nicht mehr lange! Die Schwester sagte, dass du gleich dran bist, dann hast du es geschafft.« Ich drehte mich um und sah aus dem Fenster. Ich hätte es vorgezogen, zu springen. Augenblicklich wäre ich sogar lieber gestorben, als freiwillig das Untersuchu ngszimmer betreten zu müssen . Der Gedanke an die Gerätschaften, die Nadeln und die glänzenden Utensilien ließen mich verzweifeln. Dann wurde ein Mädchen aufgerufen.
»Jetzt reicht es!«, sagte Rania. Sie nahm mich an die Hand und wir gingen gemeinsam zur Anmeldung. »Wann ist meine Freundin endlich dran? Es ist gleich halb sechs, Sie schließen in einer halben Stunde die Praxis. Wir waren um vier bestellt. Alle Patienten ko m men und gehen, während wir hier wie auf Kohlen sitzen. Meine Freundin fühlt sich nicht wohl, sie ist vermutlich schwanger. Bitte sagen Sie das der Ärztin!«, fuhr Rania die Arzthelferin wütend an.
»Wir können nichts an der Reihenfolge ändern. Die Frau Doktor gibt an, wen wir als Nächstes aufrufen sollen. Aber ich bedauere es wirklich und werde bei der Ärztin noch mal nachfragen«, antwortete die junge Sprechstundenhilfe und verschwand in den Flur, der von der anderen Seite ebenfalls einen Zugang zu den Behandlungsrä u men bot. Keine Minute später kam sie wieder und winkte uns zur Seite.
»Es tut mir außerordentlich leid, aber es gab einen kleinen Zw i schenfall. Die Frau Doktor muss dringend weg und kann Sie heute leider nicht mehr drannehmen. Bitte lassen Sie sich einen neuen Termin für nächste Woche geben!«
Sogleich normalisierten sich meine Körperfunktionen. Ich spürte, wie mein Herz absackte. Es
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