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Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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kann, aber Darryl ist raus. Komm morgen wieder. Vor uns liegt so viel Arbeit. Du weißt ja, ich brauche dich auch. Sieh mich nicht so an. Natürlich brauche ich dich.»
     
    Ich machte am A-OK Pizza Shack halt und kaufte das wenige, was sie noch dahatten, drei kostbare Pizzas und Calzones, noch ofenwarm und alles zusammen für sechzig Yuan. Als ich herauskam, fiel auf mich das Licht, das Noah-Licht, das die Stadt durchflutet und alles vereinnahmt, und die urbane Verzückung erfasste mich. Ich schloss die Augen und dachte, dass ich sie nur wieder zu öffnen bräuchte und die letzte Woche wäre nicht geschehen. Stattdessen sah ich die abscheuliche Kreatur. Diesen beschissenen
Otter
, mitten auf der Grand Street, er kaute an irgendetwas auf dem Asphalt herum. Ich packte eine besonders dicke Calzone, um meinen pelzigen Gegenspieler damit niederzuschlagen. Aber nein, es war kein Otter. Es war bloß ein entlaufenes Hauskaninchen, das sich an der neugewonnenen Einsamkeit und einer Straßenmahlzeit erfreute und dabei dieOhren mit einer Pfote zuckend zurückstrich, was mich an Noah erinnerte, der sich genüsslich durchs volle Haar gefahren war. Wolken zogen auf, und Noahs urbanes Licht verwandelte sich in Schatten, dicht und grau wie Schiefer. Mein Freund war weg.
    Zwei mit Schuhen gefüllte Koffer erwarteten mich an der Tür, doch Eunice selbst war weder im Wohn- noch im Schlafzimmer. Zog sie jetzt doch aus? Ich durchsuchte 65 der 70   Quadratmeter meines Nests – vergeblich. Schließlich brachte mich das laufende Wasser im Bad auf die Spur, und als ich angestrengt lauschte, weil gerade ein sirrender Hubschrauber vorüberflog, hörte ich auch das leise Klagen einer gebrochenen Frau.
    Ich öffnete die Tür. Sie erschauerte und verschluckte sich, zu ihren Füßen standen zwei leere Flaschen
Presidente -Bier
und eine halb ausgetrunkene Flasche Wodka. Lass dich nicht zu Mitleid hinreißen, sagte ich mir. Halt dich an deinen Zorn der letzten Woche, bewahre ihn in deiner Brust. Erhebe dich über die üblichen Demütigungen. Du bist der reichste Mann in Chinatown. Sie hat nichts für dich getan. Du kannst was Besseres haben. Lass die Welt in Stücke gehen, jetzt ist durch Einsamkeit mehr zu erreichen. Mach dich frei von diesem 3 9-Kilo -Unglücksraben. Denk dran, dass sie dich nach Noahs Tod nicht trösten wollte.
    «Ich dachte, wir dürfen keinen Alkohol auf Getreidebasis trinken.» Ich deutete mit einem Nicken auf die geleerten Flaschen, so viel hatte ich sie noch nie trinken sehen.
    Das «Fick dich», das ich als Antwort erwartet hatte, blieb aus. Sie zitterte weiter, gleichförmig wie ein sterbendes Tier, das auf die billigen Fußbodenfliesen des Badezimmers tappte. Sie flüsterte auf Englisch und Koreanisch. «
Appa
, warum?», beschwor sie ihren Vater. Oder vielleicht auch nur ihren nicht funktionierenden Äppärät. Nie zuvorwar mir die Ähnlichkeit zwischen dem Wort für das Gerät, das unsere Welt beherrschte, und dem koreanischen Wort für Vater aufgefallen. Sie trug ein T-Shirt mit der ironischen Aufschrift «Baghdad Tourist Authority», das mir gehörte, und diese eigenartige Verknüpfung   – Eunice in meiner Kleidung – weckte in mir den Wunsch, sie in die Arme zu schließen, mich selbst an ihr zu spüren. Ich hob sie hoch – schon ihr geringes Gewicht versetzte meiner Prostata einen Stich, doch sonst fühlte ich mich beneidenswert – und hievte sie auf unser Bett, sog den Duft ihres alkoholisierten Atems und die Erdbeerreinheit ihrer frischgewaschenen Haare ein. Gewaschen hatte sie sich für mich. «Ich habe Pizza mitgebracht», sagte ich. «Und Spinat-Calzones. Mehr gibt’s da draußen im Augenblick nicht. Keine Bio-Ware.»
    Sie zitterte so heftig, dass ich mir Sorgen um ihre Gesundheit machte. Ihr Körper, dieses
Nichts
, erbebte von stoßweise verbrauchter Energie. Ich legte die Hand auf ihre glühende Stirn.
    «Ist schon gut», sagte ich. «Nimm eine Ibuprofen. Iss eine Pizza. Trink Wasser. Alkohol dehydriert.»
    «Das weiß ich selbst», flüsterte sie zwischen den Schauderschüben, und ich nahm das als hoffnungsvolles Zeichen, dass ihr Missmut zurückkehrte. Aber sie zitterte weiter, ihr Gesicht war eine bleiche, sommersprossige Maske, zur linken Seite hin verzerrt wie bei einem Krampfanfall. Ein Kind, bloß ein Kind. «Len», sagte sie. Wasser sammelte sich in ihrem Kinngrübchen. «Lenny. Ich   … Es   …» Ihr tat es leid. Wie Joshie. Eine Entscheidung reifte in mir. Eine endgültige. Meine

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