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Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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machte mir zum ersten Mal überhaupt bewusst, dass dies einmal für mehrere tausend Menschen ein Tempel gewesen war.
    Ein kleiner Überrest unseres Personals spukte noch durch die Büros, doch die Gespräche waren düster und angespannt. Keine Erwähnung von p H-Werten oder «Smart-Blood» oder «Beta-Behandlungen». Das Wort «Triglyzeride» hallte nicht durch die Toiletten, wo wir Posthumanen Dienstleister unseren in die Länge gezogenen biologischen Stuhlgang hatten, uns das Grünzeug aus dem Leib pressten, das uns gerade quälte. Auf dem Weg hinauf zu Joshies Büro blieb ich an Kelly Nardls Schreibtisch stehen. Leer. Weg. Instinktiv griff ich nach meinem Äppärät, um ihr eine Nachricht zu schicken, doch dann fiel mir ein, das alle Datenübertragungen nach außen hin gekappt waren. Ohne besonderen Anlass fürchtete ich wieder um meine Eltern.
    Zwei Nationalgardisten standen vor Joshies Büro. Der Ausnahmemodus meines Äppäräts musste ihnen meine Bedeutung verraten haben, denn sie traten zur Seite und öffneten mir die Tür. Da war er. Joshie. Budnik.
Papi chulo
. Belagert in seinem eigenen minimalistischen Büro, denn draußen schrien die jungen Stimmen nach
seinem
Smart-Blood. Ich konnte ein unkreatives, unreifes «Sieben, acht/​Neun, zehn/​Joshie Goldfuck muss jetzt gehn» heraushören,außerdem das viel verletzendere «Unsere Jobs sind weg/​unsere Träume versaut/​Aber bald, du Arsch/​bist auch du ergraut». Joshie trug ein goldenes Yuan-Zeichen an einer Halskette, wollte jugendlich aussehen, doch seine Haltung wirkte abgekämpft, die Haut seiner Ohrläppchen eigenartig schlaff, und über den linken Nasenflügel verlief ein Nildelta violetter Venen. Als wir uns umarmten, trommelte das leichte Zittern seiner Hände gegen meinen Rücken. «Wie geht’s Eunice?», fragte er sofort.
    «Sie ist durch den Wind», sagte ich. «Aus irgendeinem Grund glaubt sie, ihre Schwester sei vielleicht im Tompkins Park gewesen. Sie erreicht ihre Familie in New Jersey nicht. Auf der George Washington Bridge ist ein Checkpoint, da lassen sie niemanden durch. Und sie ist wütend auf mich. Will sagen, eigentlich sprechen wir überhaupt nicht miteinander.»
    «Gut, gut», murmelte Joshie und starrte aus dem Fenster.
    «Was ist mit dir? Wie wirst du mit alldem fertig?»
    «Kleiner Rückschlag», sagte er.
    «Kleiner Rückschlag? Da draußen geht das Römische Reich unter.»
    «Sei nicht so theatralisch, Streifenhörnchen», sagte Joshie. «Ich werde diese jungen Hüpfer mit Vorzugsaktien auszahlen, und sobald wir wieder auf die Beine kommen, stelle ich sie alle wieder ein.»
    Beim Sprechen kehrte seine Energie zurück, tatsächlich, seine Ohrläppchen strafften sich und nahmen wieder Haltung an. «Hey, hör mal zu, Rhesus!», sagte er. «Ich wette, auf lange Sicht wird das Ganze sogar gut für uns sein. Es handelt sich doch um eine kontrollierte Abwicklung des Landes, eine Art geplante Insolvenz. Arbeitskraft liquidieren, Aktien liquidieren, alles bis auf Immobilien liquidieren.Rubenstein ist im Augenblick bloß noch eine Galionsfigur. Auch der Kongress ist bloß Show: ‹Seht her, wir haben noch ein Parlament!› Jetzt werden verantwortungsbewusstere Kräfte eingreifen. Das ganze Gerede von venezolanischen und chinesischen Kriegsschiffen ist Quatsch. Niemand wird einmarschieren. Aber eins wird in der Tat passieren, das weiß ich aus zuverlässiger Quelle: Der Internationale Währungsfond wird aus Washington verduften, womöglich nach Singapur oder Peking, und dann arbeiten sie einen IW F-Rettungsplan für Amerika aus, teilen das Land in Konzessionen auf und übertragen die an die Staatsfonds. Norwegen, China, Saudi-Arabien, die ganze Soße.»
    «Kein Amerika mehr?», fragte ich, auch wenn mir die Antwort im Grunde egal war. Ich wollte nur in Sicherheit sein.
    «Scheiß drauf. Ein
besseres
Amerika. Die Wikinger und Chinesen, die wollen doch aus ihren Investitionen Rendite erzielen. Die werden unsere Vorzeigestädte von allem kreditunwürdigen Abschaum befreien wollen und echte Lifestyle-Center daraus machen. Und wer wird davon profitieren? Natürlich Staatling-Wapachung. Eigentum, Sicherheit, und dann auch wir. Unsterblichkeit. Der Bruch hat eine ganz neue Nachfrage nach dem Nichtsterben generiert. Ich kann mir vorstellen, dass StatoilHydro, also Norwegen, sich mit Staatling zusammentut. Vielleicht fusioniert! Ja, genau, so muss es laufen. Die Norweger haben Euros und Renminbi-Yuans ohne Ende.»
    «Was meinst du mit ‹vom

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