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Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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womöglich braucht es mehrere Lebensspannen, um darüber hinwegzukommen (weshalb ich eben auch nicht sterben kann), aber als ich dich sah, hatte ich das Gefühl, jedenfalls NACHDEM ich wieder Luft kriegte (haha), als würde mir diese Last zum Teil von den Schultern genommen. Als wüsste ich plötzlich, was ich wollte, nicht bloß im Hinblick auf die Ewigkeit, sondern auch auf die Gegenwart. Und als sich die Dinge in der letzten Zeit schlimm entwickelten, da hat mich der Gedanke an dich durchhalten lassen. Was ist das für eine Wirkung, die du auf Menschen hast, Eunice? Wo kommt das her? Wieso macht dein Lächeln aus einem der mächtigsten Männer der westlichen Welt einen dämlichen Teenager? Ich habe irgendwie das Gefühl, dass wir gemeinsam das ganze Elend wiedergutmachen können, dem wir auf diesem Planeten begegnet sind, alle Schrecklichkeiten, denen wir als Kinder ausgesetzt waren.
    Jedenfalls komme ich mir irgendwie total komisch vor,weil ich dir so mein Herz ausschütte und meine Gefühle sowohl für DICH als auch für DEINE FAMILIE IN FORT LEE, UM DEREN WOHLERGEHEN ICH MICH SORGE , so stark und rückhaltlos sind, dass ich schon befürchte, ich könnte dich damit verjagen. Wenn das so wäre, täte es mir leid. Aber wenn nicht, dann lass es mich bitte wissen, und dann zeichnen wir einfach ein bisschen miteinander, ohne weitere Verpflichtungen. Immer noch besser, als in der elenden Grand Street Nr.   575 rumzuhängen, oder? Hahaha.
    Alles Liebe,
    Dein Joshie

FÜNF-JIAO-MÄNNER
    Aus dem Tagebuch des Lenny Abramov
    5.   September
     
    Liebes Tagebuch,
     
    mein Äppärät kriegt keine Verbindung zustande. Und ich auch nicht.
    Mein letzter Tagebucheintrag ist fast einen Monat her. Tut mir sehr leid, aber ich kriege keine Verbindung zustande, die den Namen verdient, zu niemandem, nicht mal zu dir, Tagebuch. In unserem Wohngebäude haben sich vier junge Leute umgebracht, und zwei von ihnen schrieben in ihren Abschiedsbriefen, dass sie sich kein Leben ohne ihren Äppärät vorstellen könnten. Einer schrieb ziemlich eloquent, er habe versucht, «nach dem Leben zu greifen», sei aber nur auf «Wände und Gedanken und Gesichter» gestoßen, und das habe eben nicht gereicht. Er brauche Rankings, er müsse seinen Platz in der Welt kennen. Das klingt zwar lächerlich, aber ich kann ihn verstehen. Wir sind alle zu Tode gelangweilt. Meine Hände kribbeln vor Verlangen nach Verbindung, ich will meine Eltern und Vishnu und Grace erreichen, ich will mit ihnen um Noah trauern. Doch alles, was ich habe, sind Eunice und meine Bücherwand. Also versuche ich zu feiern, was ich habe – einer meiner wichtigsten Vorsätze.
    Die Arbeit läuft gut. Ein bisschen wirr und hektisch, aber immer noch besser als das langsame Mahlen der Wirklichkeit. Meist arbeite ich allein an meinem Schreibtisch, eine halb sauer gewordene Schale Miso-Suppe neben mir. Joshie habe ich seit DER OHRFEIGE eigentlich kaum gesehen.Er treibt sich irgendwo herum, verhandelt mit dem IWF oder den Norwegern oder den Chinesen oder sonst irgendwem, der sich noch für uns interessiert. Howard Shu, der Obertrottel, ist so eine Art Bannerträger für uns wenige geworden, die bei Posthumane Dienstleistungen noch übrig sind. Er hat immer ein altmodisches Klemmbrett bei sich und sagt uns tatsächlich, was wir tun sollen. Vor dem Bruch hätten wir so ein hierarchisches Benehmen niemals hingenommen, aber jetzt sind wir froh über Anweisungen, selbst über gebrüllte. Meine derzeitige Aufgabe besteht darin, Wapachung-Ausnahmenachrichten an unsere Klienten rauszuschicken, zu prüfen, ob sie in Sicherheit sind, aber auch vorsichtig in Erfahrung zu bringen, wie es um ihre Unternehmen, ihre Ehen, ihre Kinder, ihr Vermögen bestellt ist. Zu prüfen, ob
wir
in Sicherheit sind, ob unsere monatlichen Gebühren weiter reinkommen.
    Das wird nicht ohne weiteres der Fall sein. Niemand arbeitet. Lehrer kriegen ihr Gehalt nicht mehr, habe ich gehört. Keine Schule. Die Kinder werden einfach auf die problematische neue Stadt losgelassen. Neben dem arabischen Imbiss sah ich ein Kind aus den Vladeck Houses sitzen, vielleicht zehn oder zwölf, das eine Plastiktüte ausleckte, in der etwas namens «Clük» gewesen war, laut Warnhinweis auf der Packung basierte es «auf echtem Hühneraroma»! Als ich mich neben den Jungen setzte, konnte er kaum die Augen zu mir heben. Instinktiv holte ich meinen Äppärät hervor und richtete den auf ihn, als könnte ich damit alles in Ordnung bringen. Dann zog

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