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Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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staubigen Brücken und abgewetzten Teppiche aus dem letzten Jahrhundert benetzten. Und rochen die alten Damen (die meisten unserer greisen Nachbarn sind Witwen) einmal besonders schlecht, putzte sie ihre schmutzigen Badewannen, half den wackligen Leibern hinein und wusch sie. Diese Aufgabe fand ich besonders abstoßend – so sehr fürchtete ich, eines Tages auch für meine eigenen Eltern derart taktvoll und taktil sorgen zu müssen, wie es die russische Tradition von mir verlangte   –, doch Eunice, die jeden unbekannten Geruch in unserem Kühlschrank genauso verabscheute wie meine ranzigen Fußnägel, wenn ich ein paar Pediküren ausgelassen hatte, zuckte nicht davor zurück, ließ sich von der eingesunkenen, fleckigen Haut unter ihren Händen nicht abschrecken.
    Wir sahen eine Frau sterben. Oder jedenfalls tat das Eunice. Ich glaube, es war ein Schlaganfall. Sie bekam kein Wort mehr über die Lippen, diese verdorrte Kreatur, saß neben einem Couchtisch, der mit uralten und funktionslosen Fernbedienungen übersät war, und hatte hinter sich ein gerahmtes Foto des Lubawitscher Rebben stehen, der stolz seinen prächtigen Bart präsentierte. «Ikan», sagte sie immer wieder und spuckte dabei in hohem Bogen über Eunice’ Schulter. Dann mit mehr Nachdruck: «Ikan, ikan, ikan!»
    Wollte sie «ich kann» sagen? Ich verließ die Wohnung, denn ich ertrug es nicht, dass Erinnerungen an meine eigene Großmutter nach ihrem letzten Schlaganfall geweckt wurden, die im Rollstuhl ihre abgestorbenen Körperteile mit einem Schaltuch bedeckt hatte, weil die Sorge sie umtrieb, vor der Welt hilflos auszusehen.
    Ich fürchtete die alten Leute, ihre Sterblichkeit, doch je mehr ich sie fürchtete, desto mehr liebte ich Eunice Park. Ich verfiel ihr so gründlich und hoffnungslos wie in Rom, wo ich sie für einen anderen, stärkeren Menschen gehalten hatte. Mein Problem war, ich konnte ihr nicht helfen, ihre Eltern und ihre Schwester zu finden. Nicht mal mit meinen Verbindungen zu Staatling fand ich heraus, was mit ihrer Familie in Fort Lee geschehen war. Eines Tages sagte Eunice mir, sie
spüre
, dass sie noch am Leben und wohlauf seien – eine Empfindung, die mich ihrer fast religiösen Naivität wegen beinahe umwarf, aber auch den Wunsch in mir weckte, ich könnte das Gleiche über die Abramovs glauben.
    Ikan, ikan, ikan.
    So viele Dinge sind geschehen, seit ich das letzte Mal etwas in dich eingetragen habe, Tagebuch, manche von ihnen waren schrecklich, die meisten banal. Wohl das Wichtigste, was mir einfällt: Die Lage zwischen mir und Eunice verbessert sich wieder, wir sind uns in unserer gemeinsamen Niedergeschlagenheit darüber, was unserer Stadt, unseren Freunden, unserem Leben zugestoßen ist, wieder nähergekommen. Weil wir mit unseren Äppäräten keine Verbindungen zustande kriegen, wenden wir uns einander zu.
    Einmal, nach einem langen Wochenende des Einweichens und Schrubbens älterer Mitbewohner, bat sie mich sogar, ihr etwas
vorzulesen
.
    Ich ging zu meiner Bücherwand und nahm Kunderas
Die
unerträgliche Leichtigkeit des Seins
in die Hand, dessen Umschlag Eunice, wie ich wusste, schon einmal betrachtet hatte – mit dem Finger war sie die Umrisse der schwarzen Melone nachgefahren, die über dem Prager Stadtbild schwebt. Vorn im Buch waren lobende Zitate über den Autor und sein Werk versammelt, aus Rezensionen des
New Yorker,
der
Washington Post,
der
New York Times
(der richtigen
Times
, nicht der
Lifestyle Times
), sogar aus einem katholischen Blatt namens
Commonweal
. Was war aus all diesen Zeitungen und Zeitschriften geworden? Ich erinnere mich, die
Times
in der U-Bahn gelesen, sie unbeholfen gefaltet zu haben, während ich, an die Tür gelehnt, dastand, ganz von den Worten gefangen und doch auch besorgt, ich könnte umfallen oder über irgendeine leicht bekleidete Schönheit stolpern (eine war mindestens immer in der Nähe), aber noch besorgter darüber, dass ich den Faden des Artikels, den ich gerade las, verlieren könnte, mein Rückgrat knallte gegen die Waggontür, um mich herum schepperte und dröhnte die mächtige Maschinerie, und ich, mit meinen Worten, war herrlich allein.
    Beim Lesen von Kunderas Buch wuchs meine Nervosität mit jedem Wort, das auf den zerknitterten gelben Seiten stand und nun aus meinem Mund drang. Ich rang nach Atem. Als Teenager hatte ich dieses Buch wieder und wieder gelesen, hatte die Seitenecken umgeknickt, wo Kunderas Weltsicht meiner eigenen nahekam. Doch inzwischen hatte selbst

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