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Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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Nigerianer gibt es denn auf dieser Seite des Atlantiks?»
    Mein Vater lachte und hob die Hand, um mir übers Haar zu streichen. «Hört euch unsern kleinen Liberalen an», sagte er mit dem vertrauten Fox-Ultra-Pathos in der Stimme. «Vielleicht ist er auch säkular und progressiv?» Meine Mutter stimmte in sein Gelächter ein und schüttelte über meine Albernheit den Kopf. Er nahm meinen in beide Hände und küsste mich dann feucht auf die Stirn. «Na?», rief er in gespieltem Ernst. «Bist du säkular und progressiv, Ljonka?»
    «Wieso fragst du nicht Nettie Fine?», sagte ich laut und auf Englisch. «Von der habe ich kein Wort mehr gehört. Auch nicht, als die Äppäräte wieder funktionierten. Wiesofragst du nicht deinen Rubenstein? Er hat euch doch so viel Gutes getan, dass ihr all eure Ersparnisse und eure Rente verloren habt und euch jetzt nicht mehr traut, an einem Kreditmast vorbeizugehen. Wenn der sagt: ‹Das Boot ist voll›, dann meint er euch, wisst ihr das nicht?»
    Mein Vater schaute mich nachdenklich an und schmunzelte. Meine Mutter sagte nichts. Ich kühlte meine Erregung herunter. Was sollte es? Tief im Inneren hatten meine Eltern Angst. Und ich hatte Angst um sie. Nach einem mageren Abendessen aus Putenbrust, Rote-Bete-Salat und Käsebällchen verbrachte ich eine ruhelose, sexfreie Nacht im blitzsauberen unteren Schlafzimmer, das nach Äpfeln, sauberer Wäsche und allen weiteren Manifestationen mütterlicher Sorgfalt roch. Ich fühlte mich allein und versuchte Eunice zu teenen und anzutexten, doch sie antwortete nicht, was seltsam war. Ich zeichnete mit GlobalTrace nach, wohin sie sich an diesem Tag überall begeben hatte – kaum war ich weg, war sie zum Konsumkorridor am Union Square aufgebrochen, dann weiter nach Norden in die Upper West Side, und dann verschwand ihr Signal einfach. Was zum Henker trieb sie in der Upper West Side? War sie so verrückt, über die George Washington Bridge nach Fort Lee gelangen zu wollen, um ihre Familie zu besuchen? Ich machte mir sofort heftige Sorgen um sie und überlegte sogar einen Augenblick, Palatino zu wecken und in die Stadt zurückzufahren.
    Aber ich konnte meine Eltern nicht um einen Besuch in voller Länge bringen. Und siehe da, am Morgen erwarteten sie mich am Treppenabsatz mit dem gleichen besorgten, unterwürfigen Lächeln, mit dem sie sich durch ein halbes Leben in Amerika gehangelt hatten, starrten mich an, als existierte sonst nichts und niemand auf der Welt. Die Abramovs. Müde und alt, eine Mesalliance aus Liebe, bis zurHalskrause angefüllt mit heimischem und importiertem Hass, Patrioten eines verschwundenen Landes, Freunde von Sauber- und Sparsamkeit, saftlose Erzeuger eines einzigen Kindes, mit problembehafteten, illoyalen Körpern Geschlagene (berufsbedingt von Industriereinigern verätzte Hände und Hände, die vom Karpaltunnelsyndrom verkrümmt waren), Monarchen der Ängste, Prinzen eines unaussprechlich grausamen Reiches, Mama und Papa, Papa und Mama,
na swegda, na swegda, na swegda,
für immer und ewig und darüber hinaus. Nein, ich hatte die Fähigkeit noch nicht verloren, unablässig, krankhaft, instinktgesteuert, kontraproduktiv für die Menschen zu sorgen, die aus mir die Katastrophe namens Lenny Abramov gemacht hatten.
    Wer war ich? Ein säkularer Progressiver? Schon möglich. Ein Liberaler, was auch immer das heute noch bedeuten mag, vielleicht. Aber letztlich – am Ende des kaputten Regenbogens, am Ende des Tages, am Ende des Imperiums – war ich nicht viel mehr als meiner Eltern Sohn.

WIE SAGEN WIR ES LENNY?
    Aus Eunice Parks GlobalTeens-Account
    13.   Oktober
    GOLDMANN-FOREVER AN EUNI-DIOTIN:
    Guten Morgen, mein süßes, süßes Mädchen, meine zärtliche Geliebte, mein Leben. Gestern hatten wir so viel Spaß, ich kann gar nicht glauben, dass schon Wochenende ist und ich dich an unseren kleinen Freund abgeben muss. Ich zähle die 52,3   Stunden, bis ich dich wiedersehe, und ich weiß überhaupt nicht, was ich bis dahin mit mir anfangen soll! Ohne dich bin ich ungefähr so vollständig wie ein Leopard ohne Krallen. Ich arbeite an allem, was du mir aufgetragen hast: Meinen Armen muss ich noch stärker auf die Sprünge helfen als dem Rest des Körpers, irgendwie sind die am schwersten wiederherzustellen, die verlorene Muskelspannung und so. Und es tut mir leid, wenn wir nicht genug von der Supersache gemacht haben. Ich muss mir da ein bisschen Zügel anlegen, des Herzens wegen, da bin ich nämlich genetisch echt mäßig

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