Super Sad True Love Story
der Waldbaum’s-Supermarkt neben einem verrammelten Nagelstudio und einem früheren Sushi-Restaurant befand, das jetzt «WASSER VON SAUBERER STELLE» verkaufte, «1 GALLONE = 4 YUAN, EIGENEN KANISTER MITBRINGEN». Als der Jeep direkt vor dem Supermarkteingang parkte, schauten meine Eltern mich voller Stolz an – ich kümmerte mich um sie, ich ehrte sie, war endlich ein guter Sohn. Ich sah davon ab, mich ihnen dankbar an den Hals zu werfen. Seht nur, so eine glückliche Familie!
Im Inneren des Supermarkts, der in Braun- und Cremetönen gehalten war, hatte man die Lichter heruntergedimmt, wodurch eine noch traurigere Einkaufsatmosphäre entstand, als ich sie noch aus der Blütezeit von Waldbaum’s kannte, auch wenn aus den Lautsprechern immer noch Enya vom
Orinoco flow
und der grausam formulierten Möglichkeit des Davonsegelns säuselte. Außerdem verblüffte mich eine Reihe uralter Fotografien, auf denen die froschäugigen, kahl werdenden Leiter der Frischwaren- oder Delikatessabteilungen vergangener Jahre zu sehen waren, die typische Westbury-Combo aus aufstrebenden Südostasiaten und Latinos, und darüber der faschistische Wahlspruch: «Was für euch gut ist, ist gut für Wahlbaum’s.»
Mein Vater führte mich zum leeren Regal, in dem einmal die Tagamet-Tabletten gestapelt waren. «
Posorno
(Schändlich)», sagte er. «Um die Alten und Kranken schert sich niemand mehr.»
Meine Mutter stand im Gang mit den Backwaren neben einer alten Italienerin und hielt einen wütenden Monolog über die Rühr- und Biskuitkuchen-Backmischungen von Mix’n’Match, die exorbitante achtzehn Yuan kosten sollten. «Lass uns doch die Kuchen nehmen, Mama», sagte ich,weil ich an die süßen Vorlieben meiner Mutter dachte. «Ich zahle alles.»
«Nein, Ljonitschka», sagte sie. «Du musst für deine eigene Zukunft sparen. Und für die von Eunice, vergiss das nicht. Lass uns wenigstens nach Sonderangeboten mit rotem Punkt schauen.»
«Wir gucken mal, ob es irgendwelches frisches Obst und Gemüse gibt», sagte ich. «Ihr müsst gesund essen. Keine künstlichen Aromastoffe oder zu scharfen Gewürze. Sonst kann alles Tagamet der Welt Papa nicht helfen.»
Doch die Auslagen waren schlecht bestückt; die meiste gute Ware war längst nach New York umgeleitet worden. Also luden wir 80 0-Gramm -Packungen Käsebällchen in unseren Einkaufswagen (ein Rotpunkt-Angebot, dazu noch 20 % Rabatt) und einen lebenslangen Vorrat an Sodawasser, das letztlich billiger war als das Vier-Yuan-«Wasser von sauberer Stelle», das sie im Sushi-Laden verkauften. Ich fuhr mit dem Wagen alle Gänge ab. Die Hummervitrine («Nur lebend wären sie frischer!») war nicht nur leer, sondern es fehlte auch eine Glaswand. Meine Mutter erstand weitere Wischmopps und Besen in der Haushaltsabteilung, und ich bekam ein anständiges Vollkorn-Weizenbrot in der Bäckerei und kaufte zehn Pfund mageren Putenbrustaufschnitt für meinen Vater. «Nehmt die frischen Tomaten aus dem Garten und macht euch mit der Putenbrust und dem Vollkornbrot ein Sandwich», wies ich sie an. «Mit Senf, nicht Mayonnaise, der hat weniger Cholesterin.»
«Vielen Dank,
synotschek
(Söhnchen)», sagte mein Vater.
«
Sabotischsja te o nas
(Du sorgst für uns)», sagte meine Mutter und kriegte beim Streicheln eines der neuen Wischmopps feuchte Augen.
Ich wurde rot und sah weg, denn einerseits wollte ich ihre Liebe, andererseits wollte ich sie beide nicht zu nahan mich heranlassen, um nicht abermals verletzt zu werden. Denn wo meine Eltern herstammen, kann Offenheit auch Schwäche bedeuten, eine Aufforderung zum Zuschlagen sein. Lässt man sich von ihnen umarmen, kommt man vielleicht nie wieder frei.
Ich zahlte an der einzigen funktionierenden Kasse über dreihundert Yuan und half meinem Vater, die Tüten in den Jeep zu laden. Gerade wollten wir zurück nach Hause fahren, als von Norden her der laute, dumpfe Knall einer Explosion widerhallte. Palatinos Männer richteten ihre Waffen in den strahlend blauen Himmel. Mein Vater packte meine Mutter und hielt sie wie ein echter Mann im Arm. «Nigerianer», sagte er und deutete Richtung Suffolk County. «Keine Sorge, Galja. Ich habe sie beim Basketball geschlagen, ich werde sie auch jetzt schlagen. Mit den bloßen Händen bringe ich sie um.» Er zeigte uns die starken kleinen Hände, die früher jeden Dienstag und Donnerstag Bälle in Körben versenkt hatten.
«Wieso beschuldigen ständig alle die Nigerianer?», entfuhr es mir. «Wie viele
Weitere Kostenlose Bücher