Super Sad True Love Story

und den beiden anderen ein Leffe Brune.
    «Nachdem Lenny Abramov vom RateMe Plus so richtig den Arsch versohlt gekriegt hat, sucht er Trost im Alkohol», tönte Noah. Doch als er die tiefe Trübsal auf meinen Zügen sah, sagte er: «Es wird schon wieder, Lenny. Wir werden dir schon noch eine der Schlampen in die Arme treiben. Du wirst in diesem dreckigen Datenstrom noch Gnade finden.»
    Vishnu legte mir die Hand auf die Schulter und sagte: «Du bedeutest uns wirklich was, Kumpel. Wie viele von diesen Kreditmanagern kriegen das schon zu hören? Wir bringen dich im Ranking nach oben, und wenn wir dafür zwei Fingerbreit deiner Nase absäbeln müssen.»
    Noah: «Und deinen Johannes damit verlängern.»
    «
Ha- haah
», lachte Vishnu traurig.
    Ich wusste ihr Mitgefühl zu schätzen, aber gleichzeitig fühlte ich mich schlecht, weil sie so freundlich waren. Es ging doch darum, dass
ich
mich um
sie
kümmerte. Das würde dazu beitragen, mein Stressprofil zu senken, und bei meinem ACT H-Wert Wunder wirken. Inzwischen waren der doppelte Whiskey und der damit sich ankündigende schleichende Tod durch Triacylglycerin in den letzten Winkel meines Magens gesickert, und die ganze Welt trommeltewütend auf mich ein. «Eunice Park!», heulte ich in Noahs Äppärät. «Eunice, Süße. Hörst du mich da draußen? Ich vermisse dich so.»
    «Wir streamen diese Emotionen live, Leute», sagte Noah. «Wir streamen Lennys Liebe zu diesem Mädchen namens Eunice Park in Echtzeit. Wir ‹spüren› die verschiedenen Ebenen seines Schmerzes im selben Augenblick wie er.»
    Und da fing ich an zu schwadronieren, wie viel sie mir bedeutete. «Wir haben in einem Restaurant in der Via Giulia oder so gesessen   …»
    «Zuschauerrückgang», flüsterte Noah. «Keine ausländischen Eigennamen. Komm zur Sache.»
    «…   Und sie hat   … hat mir einfach zugehört. Sie hat mir tatsächlich Beachtung geschenkt. Hat nicht mal auf ihren Äppärät geschaut, während ich mit ihr geredet habe. Ich meine, die meiste Zeit haben wir sowieso gegessen.
Bucatini all’   …
»
    «Zuschauerrückgang!»
    «Nudeln. Aber wenn wir nicht gegessen haben, haben wir uns
alles
übereinander erzählt, wer wir sind, wo wir herkommen. Sie ist ein zorniges Mädchen. Wärt ihr auch, wenn ihr sie wärt. Was für einen Mist sie ertragen musste. Aber sie will mich besser kennenlernen, und sie will mir helfen, und ich will für sie sorgen. Ich glaube, sie wiegt ungefähr fünfunddreißig Kilo. Sie sollte mehr essen. Ich werde ihr Aubergine braten. Sie hat mir beigebracht, wie man sich die Zähne putzt.»
    «Wir streamen diese Emotionen live», wiederholte Noah. «Ihr hört sie als Erste,
patos
. Direkt von Abramovs Lippen. Er textet. Er
gefühlt
. Aber hier kriege ich grade eine Message von einem Kerl aus Windsor, Ontario. Er will wissen: Hast du sie gefickt, Lenny? Hast du dein Ding in ihre enge Spalte geschoben? Fünfzehntausend Seelen da draußenmüssen das jetzt unbedingt wissen, sonst holen sie sich ihre Neuigkeiten woanders.»
    «Wir passen überhaupt nicht zusammen, überhaupt gar nicht», jammerte ich, «sie ist nämlich schön, und ich bin der hässlichste von allen vierzig Männern in dieser Bar. Aber was soll’s! Was soll’s! Und wenn sie mich nun eines Tages wieder jede einzelne ihrer Sommersprossen küssen lässt? Sie hat ungefähr eine Million davon. Und jede einzelne bedeutet mir was. Ist das nicht so, wenn Leute sich verlieben? Ich weiß, wir leben in Rubensteins Amerika, sagst du ja dauernd. Aber sind wir deshalb nicht noch mehr für das Schicksal des anderen verantwortlich? Ich meine, was wäre, wenn Eunice und ich einfach zu all dem Kram ‹nein› sagen würden? Zu dieser Bar. Zum FECen. Wir beide. Wenn wir einfach zu Hause blieben und einander Bücher vorläsen?»
    «O Gott», stöhnte Noah. «Du hast gerade mein Publikum halbiert. Du bringst mich um, Abramov   … Na schön, Leute, wir streamen hier live aus Rubensteins Amerika, Stunde null für unsere Wirtschaft, Stunde null für unsere Militärmacht, Stunde null für alles, worauf wir einmal stolz waren, und Lenny Abramov will uns nicht erzählen, ob er die zierliche asiatische Perle gefickt hat.»
    Auf der Toilette, neben dem Spruch «Lieber überflüssig als überparteilich» und dem rätselhafteren «Schadensreduzierung hat meinen Schwanz reduziert», gab ich literweise belgisches Bier und die fünf Gläser alkalisiertes Wasser von mir, die ich noch vor meinem Aufbruch getrunken hatte.
    Vishnu