Super Sad True Love Story
dem Eunice ihreSchönheit verdankte. Er war leger gekleidet – jedenfalls im Vergleich zu den anderen Gottesdienstbesuchern –, ein Polohemd von Arnold Palmer, das Jackett über den Arm gehängt. Er hatte einen kräftigen Unternehmernacken, und seine Haut war noch von ledriger, kalifornischer Konsistenz. Noch nie hatte ich ein so kantig hartes, so unverkennbar männliches Kinn gesehen, und seine untere Körperhälfte schien über ungeheuren Antrieb zu verfügen. Seine Brille, die er ein wenig nach unten schob, um mich zu betrachten, hatte leicht getönte Gläser, die in dieser Umgebung etwas unpassend, wenn nicht gar blasphemisch wirkten. Trotz seiner Herkunft waren seine Augen fast so hell wie die von Jesus, und sie schauten mich gleichgültig an. Ich setzte mich neben Sally Park, Eunice’ Schwester, die mir schüchtern die Hand reichte.
Sally war hübsch, doch hatte sie äußerlich mehr von der Mutter als vom Vater geerbt; in gewisser Weise öffnete sie mir ein Fenster, sodass ich eine Vorstellung davon bekam, wie hübsch diese Mutter einmal gewesen sein musste. Das flachere Gesicht und die breiteren Schultern unterschieden sie vom lässigen Glamour ihrer Schwester, in meinen parteiischen Augen jedenfalls, doch weil sie ihrer Mutter ähnelte, strahlte sie sogleich Freundlichkeit und Wärme aus. Die Schatten unter den Augen ließen auf eifriges Studieren, endlose Sorge, harte Arbeit schließen. Der imaginäre Parasit, der das Glück ihrer Mutter und ihrer Schwester untergrub, hatte sich in ihrem Leib noch nicht eingenistet. Eunice hatte mir erzählt, Sally sei das sanfteste und liebevollste Mitglied ihrer Familie, und ich konnte nicht anders, als es ihr zu glauben.
Und dennoch machte Sally mir zu schaffen. Den ganzen Gottesdienst über führten sie und Eunice einen Tanz der Blicke auf, als wären sie zwei geschiedene Eheleute, diesich seit Jahren nicht gesehen hatten und einander nun abschätzen und bewerten mussten. Bei den wenigen Malen, die Eunice mir von Sally erzählt hatte, war ihre Stimme zu einem resignierten Murmeln herabgesunken, im Gegensatz zur hohen, spöttischen Tonlage, mit der sie ihre Eltern umzirkelte. Wenn sie von ihrer Schwester sprach, wirkte Eunice verunsichert und vage. Manchmal schilderte sie Sally als rebellisch, dann wieder als religiös, manchmal als politisch engagiert, dann wieder als abgehoben, manchmal sprach sie von ihrer knospenden Sexualität, immer aber von ihrem Übergewicht, was für Eunice die größte Beschämung war, der offenkundigste Gesichtsverlust, den man sich vorstellen konnte. Auf den ersten Blick mochte Sally all das sein (nur nicht dick), und noch etwas anderes. Der Tanz der Blicke zwischen den Schwestern – Sallys Attacken und Eunice’ Paraden – legte alles bloß. Sally war verletzt und allein. Sie liebte ihre Schwester, konnte aber die Mauern nicht durchbrechen, die aus Eunice ein strenges, hübsches Schloss in zerstörter Landschaft machten.
Wir saßen schweigend da. Die Familie war zu verlegen, um ein Gespräch zu beginnen; ohne Alkohol können Koreaner sehr furchtsam sein. Ich war stolz auf mich. Ich kannte Eunice erst knapp über einen Monat, und schon saß ich neben ihrer Sippe. Ich besänftigte sie ebenso, wie sie mich domestiziert hatte. Wie hatte sich mein Leben in so kurzer Zeit verändert! Mit nur wenigen morgendlichen Küssen auf die Lider, ungebetenen, aber willkommenen Küssen, konnte Euny mich für den Rest des Tages in das Gegenteil des hässlichen Laptew verwandeln. Schon begrüßte ich den Essenslieferanten in Unterhose, vergaß die übliche Schüchternheit meiner behaarten Beine wegen, genoss die Vorstellung, dass hinter mir auf der Couch dieses Mädchen saß, shoppte, teente, einer verhassten ehemaligen Schulkameradinzusah, die sich bei
American Spender
immer neue Kreditlimits erschlich, ja vollkommen in ihrer digitalen Realität versunken war, doch es sich gleichzeitig in
meinen
vier Wänden bequem machte. Mit vorgeschobener Brust reichte ich dem Boten meine zehn Yuan-gekoppelten und lächelte dazu ein joshieeskes Lächeln, das Lächeln von jemandem, der zu den mühelosen Gewinnern des Lebens zählt.
Ich bin ein Mann, dies ist mein Geld, das dort ist meine zukünftige Frau, und ich bin ein Glückspilz.
Der Gottesdienst begann. Ein Cello, zwei Oboen, mehrere Geigen, ein Klavier und ein kleiner, entzückender Chor, der in der Hauptsache aus jungen Frauen in ziemlich eng anliegenden Kleidern bestand, besetzten die Bühne und hoben
Weitere Kostenlose Bücher