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Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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einschränkt. Doch auch wenn wir uns von direkter Verantwortung freisprechen, können wir als technologischeElite doch ein gutes Beispiel liefern. Darum sage ich zu allen Schwarzsehern: Das Beste kommt erst noch. Denn wir sind die letzte, die größte Hoffnung für die Zukunft dieser Nation. Wir sind die Kreativwirtschaft. Und wir werden unsere Ziele erreichen!»
    Zustimmendes Gemurmel der Cowboys, während die Indianer unbedingt wieder an die Arbeit wollten. Ich gestehe, auch meine Gedanken schweiften ab, trotz der Wichtigkeit von Joshies Worten, trotz meines (fast schon patriotischen) Stolzes, zu dieser Kreativwirtschaft dazuzugehören, trotz meiner Schuldgefühle wegen der armen Toten: Am Abend jenes Tages sollte ich Eunice Parks Eltern kennenlernen.
     
    Ich hatte mich noch nie für einen Kirchbesuch angezogen, und meine Synagogenzeiten, gepriesen sei Jahwe, lagen auch schon ein Vierteljahrhundert zurück. Keiner meiner Freunde hatte bisher genau den Richtigen oder die Richtige kennengelernt (Grace und Vishnu einmal ausgenommen), sodass ich mich nie für eine Hochzeit hatte schick machen müssen. Ich forschte also in den Tiefen des einen Schrankabteils, das noch nicht an Eunice’ Schuhe abgetreten worden war, und fand eine Anzugjacke, die möglicherweise aus Polyurethan bestand, ein silbriges Teil, das mir bei Debattierwettbewerben in der Highschool gedient und immer Sympathiepunkte der Preisrichter eingetragen hatte, weil ich darin wie ein Zuhälterlehrling aus einem degentrifizierten Teil von Brooklyn aussah.
    Eunice prüfte meinen Aufzug mit ungläubigem Blick. Ich beugte mich zu ihr, um sie zu küssen, doch sie schob mich weg. «Benimm dich wie ein Mitbewohner, okay?», sagte sie.
    Das Protokoll des Treffens, diese ganze Mitbewohnerfarce, belastete mich, aber ich beschloss, mir keineSorgen zu machen. Die Parks waren Immigranteneltern. Ich würde sie von meinem finanziellen und sozialen Wert überzeugen. Ich würde ihre emotionalen Alarmknöpfe mit einem Eifer bedienen, den ich sonst der Eingabe meiner PI N-Nummer am Geldautomaten vorbehalte. Ich würde ihnen zu verstehen geben, dass sie sich in derart unruhigen Zeiten auf einen Weißen wie mich verlassen könnten, wenn es darum ging, ihre Tochter in sicheres Fahrwasser zu steuern.
    «Kann ich wenigstens deiner Schwester erzählen, dass wir nicht bloß Mitbewohner sind?», fragte ich Eunice.
    «Die weiß es.»
    «Sie weiß es?» Ein kleiner Triumph! Ich knöpfte die seidig weiße Hemdbluse zu, die Eunice angezogen hatte, und sie küsste mich auf beide Hände, während ich die Knöpfe durch die raffinierten Schlaufen zog.
    Der Gottesdienst sollte in einem Saal des Madison Square Garden abgehalten werden, einem zu hell ausgeleuchteten und dennoch grundsätzlich düsteren Amphitheater für ungefähr dreitausend Besucher, heute jedoch nur zur Hälfte gefüllt. Die aufdringliche Beleuchtung hob die Schäbigkeit des Ambientes hervor, die sanitären Einrichtungen waren seit der letzten Veranstaltung, die womöglich ein Lakritz-Kongress gewesen war, kaum gefegt. Die meisten Anwesenden waren Koreaner, mit Ausnahme einiger weniger jüdischer oder angloamerikanischer junger Männer, die von ihren Freundinnen mitgeschleift worden waren. Teenager mit hellgrünen Schärpen, auf denen «Willkommen bei Reverend Suks Sünderkreuzzug» stand, begrüßten uns und verbeugten sich vor den Älteren. Ordentlich gekleidete Kinder, deren Äppäräte die Eltern beschlagnahmt hatten, krabbelten friedlich zwischen unseren Beinen herum und spielten, beaufsichtigt von einer einzigendazu abgestellten Großmutter, einfache Lernspiele mit Klebeband und Knete.
    Ich spürte, wie mein grässliches Jackett an meinen Schultern glühte, doch angesichts der vielen Damen mittleren Alters mit ihren aufwendigen Dauerwellen und an den Schultern gepolsterten Blazern, ich meine die Ajummas – eine gelegentlich abwertende Bezeichnung für verheiratete Frauen, die ich von Grace gelernt hatte   –, fühlte ich mich wohler. Zusammen sahen wir aus, als hätte uns jemand aus dem fernen vorletzten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts gepflückt und in dieser trüben, unbehaglichen Zukunft schlecht gekleideter Sünder abgesetzt, die sich der Gnade Christi unterwarfen, eines Mannes, der selber immer blendend und gepflegt aussah, anmutig im Schmerz, wohlwollend im Himmel. Ich hatte mich schon oft gefragt, ob der Sohn Gottes nicht insgeheim, ungeachtet seiner freundlichen Lehren, alle hässlichen Menschen

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