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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Körper der Bewohner.
    Bald darauf wich die Nacht einem gespenstischen Tageslicht, dem
trüben Abglanz eines explodierenden Sterns, den der
Kometenschweif aus Luft, welchen der Planet hinter sich her zog,
reflektierte. Für einen Beobachter auf Bodenniveau hätte es
so ausgesehen, als nähme der Hauptplanet Moskau den halben
Himmel ein – eine Magnesiumflamme strahlend heller Energie, die
noch im Abstand von Jahrbillionen von Kilometern ausgereicht
hätte, Augäpfel zu verschmoren.
    Mit zwanzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit näherte sich
mittlerweile die größte Schockwelle der Explosion, eine
Welle von Plasma, die auf Hunderte Millionen Grad aufgeheizt und fast
so dicht wie die aufgelöste Atmosphäre war. Als sie Moskau
erreichte und in Ground Zero verwandelte, verschwand der Planet
einfach von der Bildfläche: Die expandierende Feuerkugel der
atomaren Explosion verleibte ihn sich wie eine Wassermelone ein.
    Sechzig Minuten nach Ausbruch der Supernova geisterte der
Strahlenimpuls durch die Ringe rund um Sibirien. Zu dem großen
grünen Eisriesen gehörten auch Monde, die ihn wie funkelnde
Perlen umgaben. Nachdem sie kurz entflammt waren, setzten sie
glühend heiße Gasströme frei. Gleichzeitig
verbreiteten die Ringe ein violettes Leuchten, bis sie sich zu einer
riesigen Lichtscheibe zusammenschlossen, die nach außen schoss
und innerhalb von Sekunden die Masse eines kleinen Mondes verzehrte.
Sibirien verleibte sich gewaltige Energien ein, die ausreichten, um
die Tundra im Kerngebiet einzuschmelzen und gigantische Stürme
zu entfachen. Hurrikane in der Größe Moskaus rasten auf
die Nachtseite des Eisgiganten zu, der bald ebenfalls einen
glühenden Kometenschweif hinter sich her zog. Im Unterschied zu
den inneren Himmelskörpern war Sibirien zu groß, um
gänzlich zu verdampfen. Obwohl der Eisgigant vor weiß
glühender Hitze leuchtete, sich verflüssigte und seine
Umlaufbahn durch die gewaltige Schockwelle aus dem Gleis geriet,
blieb der innere Kern, der aus Nickel und Eisen bestand, erhalten
– ein Grabstein, der erst nach Millionen von Jahren im Zwielicht
abkühlen würde und die Lücke markierte, die Moskau
hinterlassen hatte.
    Der erste Überlebende bekam die Auswirkungen der Explosion im
Abstand von 98 Lichtminuten mit. Eine vollautomatisierte Leuchtbake,
die schlafend im tiefen Orbit des äußeren Gasriesen Zemlya
trieb, erwachte beim ersten grellen Glühen von Energie zum Leben
und begann zu blinken. Ein Panzer aus schwarzen Facetten
schützte ihr Inneres, das riesige Vorräte an
Kühlmitteln enthielt. So konstruiert, dass ihr selbst direkte
Treffer von Laserrastern, die ein Schlachtschiff aussenden mochte,
nichts anhaben konnten, widerstand sie auch dem Sturm; allerdings
geriet sie ins Taumeln, und die Woge schwerer Teilchen katapultierte
sie sogleich aus der Umlaufbahn, in der sie siebzig Jahre
überstanden hatte. Die Leuchtbake war 118 Jahre alt und
gehörte zu einer Serie von 750 produzierten Modellen. Ihr
Codename war SCHLAUER SPATZ, und sie war Teil des
Frühwarnsystems der Strategischen Abwehr, die ihrerseits dem
jüngst verdampften Moskauer Außenministerium unterstellt
gewesen war.
    SCHLAUER SPATZ blinkte und machte eine Bestandsaufnahme: Nicht nur
glühendes Gas, sondern auch Raumtrümmer – darunter
geschmolzene Teile der eigenen Außenhülle –
verdeckten die Sterne. Egal: Es galt eine Aufgabe zu erfüllen.
Etwas im Langzeitgedächtnis der Bake erinnerte sich an gewisse
Zeitmuster und sorgte dafür, dass sich die Sensoren auf Moskau
ausrichteten. Vergeblich versuchte der SPATZ, eine
Hochleistungsantenne herumzuschwenken: Sie war zusammengeschmolzen.
Andere Sensoren versuchten, den Strom von Gammastrahlen zu
analysieren, den die mit Überlichtgeschwindigkeit ins innere
System fliegenden Körper abgaben, waren damit jedoch
hoffnungslos überlastet. Ein primitives Spezialsystem ging
gründlich mit sich zu Rate, um verschiedene Strahlungsquellen zu
sondieren, und kam zu dem Schluss, dass es sich um einen unbekannten
Aggressor handeln müsse. Schließlich aktivierte SCHLAUER
SPATZ seinen Kausalkanal, sodass Quantenbits in die Entropie
sickerten. DAS IST GLATTER MORD, rief er den Sternen zu, die es mit
Gleichgültigkeit aufnahmen.
    Doch es gab jemanden, der die Meldung auffing.

 
    Einschlag: T plus 1392 Tage, 13 Stunden, 02 Minuten
     
    Die Polizeidrohne fasste sich, wie bei Robotern üblich, recht
kurz. »Wir haben Ihre Tochter gefunden«, meldete sie.
»Bitte kommen Sie mit zum roten Deck

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