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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Versorgungssystemen der Raumstation gekappt. Verbindung
zum Masse-Transfer der Raumstation gelöst. Verbindung zum
Landekai gelöst. Spin-up des Hauptantriebs läuft, Stufe
eins. Spin-down der Systeme für die Lebendfracht läuft,
Stufe zwei.«
    »Ich hasse Lebendfracht«, murmelte Gertrude.
»Meldung über Spin-down für die Lebendfracht geht
jetzt raus.« Ihre Finger berührten unsichtbare Felder vor
ihrem Gesicht. »Hubkraft der Radnabe blockiert, Radnabe
gesichert.«
    Mannheim starrte auf das komplexe Netz von Interdependenzen, das
über der leeren Wand der Brücke schwebte, einen Meter vor
seiner Nase. Nach und nach blinkten die roten Knotenpunkte grün
auf: Das riesige Sternenschiff bereitete sich darauf vor, von der
Raumstation abzulegen. Man ging davon aus, dass es für alle
Zeiten das letzte Schiff sein würde, das von diesem Hafen
aufbrach. Hin und wieder tippte Mannheim mit dem Finger auf ein
Rechnersymbol und sprach leise mit der Stimme – wem sie auch
gehören mochte –, die ihm aus der dünnen Luft
antwortete; es mochten Frachtmeister sein, die Offiziere, die
für spezielle Ladungen oder die Einwanderungskontrolle
zuständig waren, oder Beamte der Zivilpolizei. Mit Jack im
Zentrum zur Antriebsüberwachung unterhielt er sich ebenso wie
mit Rudi im Ausguck. Einmal sprach er sogar mit der
Verkehrsüberwachung. Die Roboterhirne der Raumstation arbeiteten
unerschütterlich weiter. Ihnen war nicht bewusst, dass das Ende
ihrer Arbeit bereits in Sicht war und mit einer expandierenden
Schockwelle von strahlungsgetriebenem Plasma auf sie zukam.
    So verstrich eine ganze Stunde. Irgendein guter Geist drückte
dem Kapitän irgendwann einen Kaffeebecher in die rechte Hand.
Während er trank, machte er weiter, redete, beobachtete, fluchte
gelegentlich auch leise vor sich hin. Als er einen weiteren Schluck
nahm, war der Kaffee bereits kalt geworden.
    Schließlich war das Schiff bereit abzulegen.

 
    Einschlag: T plus 8 Minuten bis plus 1,5 Stunden
     
    Moskaus System starb mit Lichtgeschwindigkeit. Mit einer Flutwelle
von Strahlen verbreitete sich der Tod nach außen.
    Als Erstes sollten die Wettersatelliten sterben, die nahe beim
Stern nach Solarfeuern und Protuberanzen Ausschau hielten. Baken,
dazu geschaffen, Winde aufzuspüren, wurden von dem explosiven
Wirbelsturm der künstlich herbeigeführten Supernova
losgerissen und nicht nur zerstört, sondern regelrecht
eingedampft. Ihre nackten Kerne gingen in dem Toben der glühend
heißen eisernen Sonne auf.
    Sekunden später brachte der Strahlenimpuls die riesigen
leichten Sonnenkollektoren zum Schmelzen, die im Abstand von einer
halben astronomischen Einheit in einer prächtigen Umlaufbahn
dahinglitten, um Antimaterie-Generatoren, deren Durchmesser hundert
Kilometer betrug, mit Energie zu speisen. Roboterfabriken, die kein
menschliches Wesen beaufsichtigte, verschwanden unbemerkt, ohne dass
ihnen jemand nachtrauerte. Der Impuls von Gammastrahlen, den die dort
gespeicherten Tonnen von AntiWasserstoff auslösten, fügte
dem Hurrikan nicht mehr als den Schein einer Kerze hinzu.
    Acht Minuten nach der Explosion erreichte die Strahlenfront das
innerste menschliche Habitat des Systems: die Welt namens Moskau. Der
Fluss von Neutrinos war so stark, dass er, selbst nachdem er direkt
durch den Planeten gedrungen war, eine schnell tötende Dosis von
Strahlen abgab. Die Nachtseite fluoreszierte, wobei sich die schwach
glühende Atmosphäre vor einem unerträglich grellen
Hintergrund abzeichnete. Der Impuls von Gammastrahlen, der gleich
darauf folgte, ließ die Atmosphäre der Tagseite so
aufflammen, dass sie sich in Plasma verwandelte. Mit ungeheurem Druck
wurde dieses Plasma in das bereits schmelzende Gestein gepresst.
Tornados wirbelten mit Überschallgeschwindigkeit um die
Tagesscheide herum und schleiften die Oberfläche so, dass nur
nacktes Felsgestein übrig blieb.
    Eine halbe Stunde nach Ausbruch der Supernova war die
Auflösung des Planeten schon weit fortgeschritten. Auf der
Tagseite sackte der atmosphärische Druck dramatisch ab; die
vorherrschenden Gasmoleküle bestanden mittlerweile aus
Wasserstoff- und Sauerstoffradikalen, die sich aus dem glühend
heißen Nebel des früheren Nordmeers gelöst hatten. In
den Wolken betrugen die Spitzentemperaturen bereits Tausende von
Grad. Gleichzeitig wirbelten auf der Nachtseite Mach-Wellen die
aufgeblähte Troposphäre auf, knickten die Häuser wie
Streichhölzer und verwandelten sie in Scheiterhaufen für
die sterbenden

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