Supervision - Grundlagen, Techniken, Perspektiven
des
Kontrollanalytikers
. Dabei handelte es sich ebenfalls um einen zur Ausbildung berechtigten Psychoanalytiker,der jedoch nicht den Ausbildungskandidaten analysierte, sondern mit ihm zusammen in einer Art âMeister-Lehrlings-Verhältnisâ dessen Behandlungsfälle reflektierte, also dessen Analysen âkontrollierteâ. Die persönlichen Probleme des Ausbildungskandidaten werden in der Lehranalyse und die Probleme des Klienten werden in der Kontrollanalyse behandelt (Balint 1965, S. 400). Das Neue war also eine in soziologischer Sicht interessante Rollenkonstruktion. Durch verschiedene Personen und Funktionen kam es zu einer örtlichen, zeitlichen und inhaltlichen Trennung der beiden Behandlungen. Mit der Kontrollanalyse wurde erstmals eine institutionalisierte Form geschaffen, in der eine angehende Fachperson von einem erfahrenen Kollegen bzw. einer Kollegin angeleitet wird und Reflexionshilfen bei den ersten Schritten in einer neuen Berufstätigkeit erfährt. Durch diese Trennung wurde eine klare Abgrenzung zwischen eigenen und fremden Problemen bzw. selber lernen und anderen helfen vollzogen. In mancher Hinsicht weist die Kontrollanalyse (wie später die Kontrollsupervision, vgl. S. 25) strukturelle und methodische Ãhnlichkeiten zum âSokratischen Dialogâ auf.
In der europäischen Sozialarbeit entwickelte sich, von den USA kommend, seit den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts eine vereinfachte Form der Psychoanalyse. Man nannte diese tiefenpsychologische Fallarbeit des Sozialarbeiters mit seinem Klienten
Casework
. Die Casework-Arbeit konnte nur erfolgreich sein, wenn sie von auÃen durch Supervision begleitet wurde. Auf diese Weise kam es seit den Sechzigerjahren zur Entwicklung der Supervision in Deutschland. Mit dieser neu institutionalisierten Supervision hat man seitdem gute Erfahrungen gemacht. Man kann nämlich gerade dann besser verstehen und helfen, wenn man nicht
direkt
ins Geschehen verstrickt ist. Dabei spielen vor allem die von der Psychoanalyse erforschten tiefenpsychologischen Prozesse von Projektion und Ãbertragung eine wichtige Rolle. Bei einer
Projektion
handelt es sich eigentlich um einen ganz normalen alltäglichen Interaktionsvorgang. Unsere Wahrnehmungen und Erinnerungen sowie deren gefühlsmäÃige Verarbeitung sind geprägt vonder Vergangenheit. Oftmals bringen wir bewusst oder unbewusst diese frühen Muster von Erlebnisverarbeitung in neue Kommunikationen mit ein. Wir âsehenâ etwas in den anderen âhineinâ, was eigentlich aus unserer Erfahrungswelt stammt. Die
Ãbertragung
ist eine Erweiterung der Projektion. Wir âsehenâ und âfühlenâ etwas in einen aktuellen Kommunikationspartner âhineinâ, was eigentlich von einem früheren Kommunikationspartner kommt.
Projektion und Ãbertragung (stark vereinfacht)
In der Regel ist dieser frühe Kommunikationspartner ein Elternteil, eine Schwester, ein Bruder oder ein Partner. Bei Ãbertragungen, die sich im beruflichen Bereich auswirken, kann es sich bei der Ãbertragungsquelle auch um einen früheren Lehrer, Arbeitskollegen oder Vorgesetzten handeln. Selten âverwechselnâ wir dabei jedoch die gesamte Person; häufiger ist es so, dass frühe (unbewusste) Gefühle wieder aktiviert werden und in der neuen Situation die aktuelle Beziehung hinsichtlich unserer Wahrnehmungen, Gefühle, Fantasien, Ãngste und Hoffnungen unangemessen beeinflussen. In Beratung und Psychotherapie herrscht Ãbereinstimmung darüber, dass Projektionen und Ãbertragungen eine zentrale Ursache für Beziehungs- und Kommunikationsprobleme sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich sind. Diese Ãbertragungen kann man wiederum einteilen in
(1)
spontane Ãbertragungen
: Sie entstehen täglich bei kurzen Begegnungen: Jemand erinnert uns an eine andere Person.
So kommt es, dass wir uns einige Momente mit vergangenen Erinnerungen und Gefühlen beschäftigen. Fast gleichzeitig merken wir jedoch, dass es sich nicht um diese frühere Bekanntschaft handelt. Spontane Ãbertragungen korrigieren sich oft unmerklich von selber. Auch
(2)
typologische Ãbertragungen
sind uns geläufig: Bei den Begriffen âArztâ, âLehrerâ oder âPolizistâ werden in unserem Denken und Fühlen oft bestimmte Rollenvorstellungen aktiviert. Auch können diese uns zu frühen Erfahrungen und
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