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Supervision - Grundlagen, Techniken, Perspektiven

Supervision - Grundlagen, Techniken, Perspektiven

Titel: Supervision - Grundlagen, Techniken, Perspektiven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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u.a. 1991, S. 17). Den im Arzt-Patient-Kontakt auftauchenden Kommunikationsansprüchen sind viele Ärzte jedoch nicht gewachsen, weil sie zu sehr naturwissenschaftlich ausgebildet wurden. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sind in der Regel durch ihre Ausbildung besser über die Hintergründe und Regeln von Kommunikation informiert. Oft jedoch haben sie es auch mit seelisch schwer gestörten Klienten zu tun, die eigentlich in die Behandlung eines Psychotherapeuten oder Psychiaters gehören. Bei den Ärzten und auch bei den Sozialarbeitern existiert deswegen berufsbedingt ein großer Bedarf an Austausch über die Gespräche mit Patienten bzw. Klienten. Diese beruflichen Beziehungen zu untersuchen, zu hören, was andere dazu meinen, und die Ermunterung, auch einmal „nein“ zu sagen, sind die Aufgaben einer speziellen beruflichen Reflexion, der sogenannten
Balint-Gruppe
. „Unser Ziel ist, den Ärzten zu helfen, sensibler zu werden für das, was bewusst oder unbewusst in der Psyche des Patienten vor sich geht, wenn Arzt und Patient beisammen sind“ (Balint 1965, S. 403).
    Inzwischen ist die Balint-Gruppe auch eine Fortbildungsmöglichkeit für andere Berufe (z.B. Psychologen, Lehrer, Juristen) geworden. In einigen Ausbildungsordnungen für Ärzte gehört sie sogar zum Pflichtprogramm. Der internationale Erfolg der
Balint-Gruppen
beruht auch auf der Beachtung folgender Regeln:
    â€¢Die Teilnehmer einer Balint-Gruppe sollten sich im Idealfall vorher
nicht kennen
, also auch nicht in privaten oder beruflichen Beziehungen miteinander stehen.
    â€¢ Das Arbeitsklima wird vom Balint-Gruppenleiter so gestaltet, dass alle Gruppenmitglieder in ihrem Ursprungsberuf (z.B. Arzt, Psychologe, Sozialarbeiter, Lehrer, Jurist) als kompetent angesehen werden. Gleichzeitig werden sie als Lernende betrachtet, die in einem neuen Feld, der
Beziehungsdynamik
zu den Patienten, Klienten, Schülern, noch etwas wissen möchten.
    â€¢ Es ist günstig, wenn der Balint-Gruppenleiter auch der
gleichen Berufsgruppe
wie die Teilnehmer angehört.
    â€¢ Reine
Fachfragen
der Grundberufe medizinischer, psychotherapeutischer, sozialarbeiterischer oder pädagogischer Art stehen
nicht
im Mittelpunkt der Balint-Arbeit. Vielmehr ermuntert der Leiter die Gruppenmitglieder zur
freien Fallschilderung
über Beziehungsprobleme.
    â€¢ Gruppenmitglieder und Leiter äußern danach ihre Gefühle und spontane Einfälle zur geschilderten Beziehung im Sinne einer
freien Assoziation
.
    â€¢ „
Intellektuelle Belehrung
, und sei sie noch so gescheit, hat so gut wie keine Wirkung auf diesen Prozess der Befreiung und allgemeinen Lockerung“ (Balint 1965, S. 405).
    â€¢ Die Balint-Gruppe ist
kein technisches Seminar;
sie zielt auch nicht auf konkrete Handlungsanweisungen ab. Das Ziel der Balint-Arbeit ist es vielmehr, die aktuellen Probleme in der jeweiligen Arbeitsbeziehung (z.B. Arzt-Patient, Sozialarbeiter-Klient, Lehrer-Schüler) zu untersuchen.
    â€¢ Die Teilnehmer der Balint-Gruppe
entscheiden selber
, welche Schlüsse und möglichen Handlungen sie aus ihren neuen Erkenntnissen ziehen.
    â€¢ Eine weitere Besonderheit der Balint-Methode ist, dass die
persönlichen Probleme
der Teilnehmer
ausgegrenzt
, also Übertragung und Regression (Rückkehr in kindhafte Gefühlswelten) nicht angestrebt werden. Balint-Gruppenarbeit ist eine besondere Form der
Beziehungsdiagnostik
auf tiefenpsychologischem Hintergrund.
    â€¢Neben den Übertragungs- und Gegenübertragungsvorgängen wird vor allem auf vielfältige
Spiegelphänomene
(andere Begriffe:
Resonanzphänomen, Parallelprozess, Isomorphismus)
geachtet. Hierbei handelt es sich, vereinfacht gesagt, um einen allgemeinen beziehungsmäßigen und damit menschlichen Vorgang. Es geht nämlich um die Wiederholung latent vorhandener und gefühlsmäßig wirksamer Interaktionsstrukturen in einem
anderen Handlungssystem
. Diese Wiederholung erfolgt teilweise über Worte, aber auch szenisch, durch Handlungen oder körpersprachlich. Wir alle kennen diese Spiegelphänomene aus alltäglichen Situationen: beispielsweise die Entlastungsgespräche während der Arbeitspause, auf dem Arbeitsweg oder in der Freizeit zu Hause. So können sich beispielsweise in der Balint- bzw. Supervisionsgruppe Gefühle und Vorgänge aus der Ursprungssituation (Sozialarbeiter-Klient bzw. Lehrer-Schüler)

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