Suppenmord: Kommissar Hölderling kocht (German Edition)
als Hausherrin am Kopfende thronend, guckte auf ihre Uhr und hatte die Stirn in Falten gelegt. Also war es ein Akt der Höflichkeit, dass sich die beiden Freunde sofort auf die einzigen freien Plätze trollten, damit der Zeitplan nicht durcheinandergeriet. Hölderling hatte zuerst Annelies mit einem Kopfnicken begrüßt und dann das Krähenfüßchen, das sich sofort über die «wahnsinnig opulente Tischdeko» ausließ und Vergleiche mit dem «Perfekten Dinner» zog, das sie, wie sie versicherte, täglich anschaute. Wegen der Rezepte, versteht sich. Während sie plapperte, hob sie ein leeres Weinglas an, hielt es gegen das Kerzenlicht, nahm ihre Serviette und polierte nach. Hölderling beobachtete, wie seine Tischdame das Besteck derselben Behandlung unterzog, um dann das schummrige Licht, das aus gedimmten Wandlampen, die wohl Fackeln darstellen sollten, kritisierte.
«Die sparen sogar am Strom. Oder vielleicht sollen wir auch das Essen nicht richtig sehen. Aber Marielle hat ja auf alles eine Antwort: Sie hat gesagt, dass das Licht dem Teint der Damen schmeichelt. Ph! Na ja, Gregor, schön, dich zu sehen – ich hatte eigentlich gedacht, dass du dieser wenig noblen Veranstaltung fernbleiben würdest. Aber Annelies sieht toll aus. In einen Jungbrunnen gefallen? Haha.»
Dass Gregor abgelenkt war, hatte Viktor sofort ausgenutzt und sich mit Annelies einen kleinen verbalen Schlagabtausch zur Begrüßung geliefert, der für allgemeines Gelächter am Tisch gesorgt hatte. Danach war Conrad Faust auf sie losgegangen, anders konnte man die Charme-Offensive, die er vor den Augen seiner eigenen Gattin abfeuerte, nicht nennen. Er hatte erst von Annelies abgelassen, als Marielle mit dem Glöckchen heftig bimmelte, was das Zeichen für die Lieferung des Amuse-Gueule gewesen war. Gerade rechtzeitig, um zu verhindern, dass Conrad Faust auf Annelies’ Schoß Platz nehmen konnte.
Nun, nach dem Appetithappen, war Conrad anderweitig beschäftigt, denn ihm oblag es, die Begrüßungsrede zu halten – noch vor der Suppe. Das war so Tradition, einfach aus dem Grund, dass mit fortschreitendem Genuss von hoch- und niedertourigen geistigen Getränken die Toleranz für das gesprochene Wort erheblich abnahm.
«Dreizehn eins. Setzen!», rief Conrad Faust, was mit allgemeinem Klopfen auf die Tischplatte goutiert wurde.
«Wir sind weniger geworden, Freunde, wie ihr seht. Nur noch dreizehn bei Tisch, wenn das mal kein Zeichen ist. Statt unserer Einladung zum Klassentreffen haben zwei von uns ein Meeting mit Freund Hein vorgezogen. Klaus Voßschulte starb nach langem Krebsleiden. Dabei hat er noch nicht mal geraucht. Na ja … Und Dieter Buttlar – es zerlegte ihn und seine S-Klasse kurz vor Montreux. Was er da wollte, ist unbekannt. Ich bitte um ein aus tiefstem Herzen empfundenes: Oooooh.»
Alle stimmten mit ein, um ihr Bedauern über den Tod ihrer ehemaligen Mitschüler auszudrücken. Vielleicht nicht sehr pietätvoll, aber effektiv und zeitsparend.
«Danke, Freunde. Unserem Dieter allerdings verdanken wir es, dass dieses Wochenende in unserem wunderbaren Romantikhotel stattfinden kann – und zwar für alle kostenlos. Er hat uns nicht vergessen und in seinem Testament ausreichende Mittel für diese Feier hinterlassen. Wir erheben das Glas auf Dieter Buttlar. Danke, Dieter!»
«Danke, Dieter!», schallte es aus allen Kehlen, und der erste Schnaps wurde auf ex gekippt.
«Unsere vier Amerikaner sind, wie erwartet, nicht gekommen. Spaßbremsen, die sie immer waren, kann ich nur sagen: God bless America. Wie schön, dass ihr für sie sorgt. Von Gustav und Berthold, unseren beiden Klimaforschern, habe ich nur gehört, dass sie mit Greenpeace am Nordpolarkreis Eisproben nehmen und nicht erreichbar sind. Ich habe der Fakultätssekretärin gesagt, dass sie ihr unentschuldigtes Fernbleiben hoffentlich bereuen.» Conrad Faust machte eine dramatische Pause, ließ seinen Blick über die Runde gleiten und verkündete dann: «Und auf dem Markt sind wieder: Gregor Hölderling und Annelies Seydelbast! Ich bitte um Applaus.»
Annelies senkte den Blick und atmete tief ein und wieder aus, was ihr Dekolleté noch anbetungswürdiger erscheinen ließ.
Conrad beugte sich nach links und zischte Gretchen Harrison, die auf der Aussprache Gretschen bestand, zu: «Na, Gretel, wie wär’s? Nach Harrison jetzt Hölderling – du hattest doch schon immer ein Faible für dicke Männer.»
Gretchen ließ die kajalumflorten Augenlider sinken und murmelte betont
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