Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Surf

Surf

Titel: Surf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Duane
Vom Netzwerk:
Dorf –, dass es dort «keine geschäftigen Handwerker gibt, die ihre Werkzeuge schwingen, keine zivilisierten Fahrzeuge, die Handelswaren befördern». Der Ort ist das genaue Gegenteil einer westlichen Stadt, des einzigen Modells, das Bates kennt. Man spürt geradezu, dass der Mann mit seinem Latein am Ende ist und sich die klassische Frage in Bezug auf die «Naturmenschen» stellt: Arbeiten die denn nie? Isabella Bird ist zwar eine erfahrene Bergsteigerin (die erste Frau auf dem Longs Peak in Colorado) und eine unermüdliche Reisende, reagiert aber ebenso: «Keine mühselige Arbeit, kein Klingen der Werkzeuge, keine Eile. Die Menschen machten alle Ferien (falls dies an einem Ort, an dem es keine Arbeit gibt, überhaupt möglich ist).» Zumindest jedoch sympathisiert sie in Worten, wenn auch nicht in Taten (sie war keine Frau, die bei einem Captain Bligh gemeutert hätte), «mit denjenigen, die Lotos essen und für immer an solch verzauberten Gestaden verweilen». Bates dagegen verlässt diese Idylle am Meer, unternimmt eine Wanderung und stöbert schließlich in einem zerfallenen Tempel herum. «Meine Phantasie», schreibt er, «beschwor das Bild einiger der Hohepriester des Heidentums herauf. Mir war, als sähe ich einen dieser betrogenen und betrügenden Peiniger vor mir: seine dämonische Fratze, den nackten Arm, während die erhobene Hand das tödliche Instrument ergreift und das Menschenopfer auf dem blutigen Altar liegt.» Bird bringt uns außerdem schon damals auf die Idee, dass das Surfen ein Spiel, eine Metapher für ewige Jugend ist. «Die Liebe zu diesem Wassersport», schreibt sie, «ist nicht auf die Jungen beschränkt. Ich sah große, dicke Männer mit ergrautem Haar, die mit so viel Freude auf ihren schmalen Wellenbrettern balancierten und auf den Brandungswellen zum Strand glitten, als wären sie in ihrer ersten Jugend.» Und während sie im Licht der Südsee die ziellosen Kreisläufe dieses Sports beobachtet, fragt sie sich verständlicherweise: «Herrscht hier eigentlich ewiger Feierabend …?» Und wie Teddy Roosevelt, als er sich zum ersten Mal auf dem Lande in Wyoming aufhielt, um unter kernigen Männern überflüssiges Fett loszuwerden, reitet auch sie tagelang in der von ihr so genannten einheimischen Tracht – also in dem, was die Haloer trugen –, und sehnt sich danach, wie die Eingeborenen zu leben: «Ich werde jeden Tag gesünder und lebe fast ständig im Freien … Ich bin schon geradezu hawaiianisiert.»
    Selbst der Griesgram Mark Twain unternimmt einen Versuch: Am Ende seiner Blitztour durch den Wilden Westen in Roughing It segelt er nach Hawaii, nachdem er sich zum Kauf eines baufälligen Hauses überreden ließ, als Silbergräber bankrott ging, sein eigenes Waldstück in Tahoe in Brand setzte und sich während des Goldrausches in San Francisco fast zu Tode soff (vielleicht absichtlich). Doch anders als seine Vorgänger versuchte das sanfte Rauhbein tatsächlich zu surfen. So wie Roughing It den Wilden Westen als eine Art Urlaubsregion und das, was man dort treibt, als Spiel präsentiert, so wird das Surfen in dem Reisebericht als etwas Ursprüngliches dargestellt, das wir alle einmal ausprobieren sollten. Inmitten «einer großen Gruppe nackter Eingeborener», erklärt er, «brachte ich das Brett in die richtige Position – und sogar im richtigen Augenblick –, schaffte es aber nicht, mich darauf zu stellen. Binnen einer dreiviertel Sekunde landete das Brett, ohne seine Fracht, am Strand, und in etwa derselben Zeit drückte es mich auf den Meeresgrund, und ich schluckte eimerweise Wasser.» Aber nach seiner Reise quer über Kontinent und Meer, die nichts als eine Abfolge von Streichen war, sonnt sich Twain in seiner Schmach. Er findet sogar Worte für die Faszination, von der wir seither immer wieder gehört haben, nämlich dass «nur die Einheimischen die Kunst des Brandungs-Badens vollkommen meistern».
    Als der Nebel endlich gewichen war, gab ich Fernleihscheine für einige andere Reiseberichte aus dem 19. Jahrhundert ab und ging dann durch den Redwoodwald nach Hause; die rötlich braune Borke der Bäume war so dick und weich, dass mir der Wald wie ein feuchter, gepolsterter Hörsaal aus gefiltertem Licht erschien. Auf dem Hinweg am Morgen war ich zwischen denselben kerzengeraden Mammutbäumen, deren Äste die Größe kleiner Bäume erreichen können, hindurchgegangen, als ich von einer Brücke über einer kleinen Schlucht aus einen der Baumriesen im Morgenlicht buchstäblich

Weitere Kostenlose Bücher