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Surf

Surf

Titel: Surf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Duane
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Tierkadavern zum Anlocken von Haien für gut zahlende Ökotouristen, hatte unter den Anwohnern ziemliche Kontroversen ausgelöst; der Tauchlehrer hatte anonyme Briefe erhalten, deren Absender schworen, sie würden ihm, sollte er noch einmal Fleisch ins Wasser werfen, beide Beine abhacken – was ziemlich gut zum Ausdruck brachte, warum sie solche Angst vor Haien hatten. Der Zweck fand meine Zustimmung, nicht die Mittel. Immerhin flössen die Abfälle mit den Strömungen davon, erzeugten eine Blutspur, der die Haie tagelang folgten, deren Appetit dann zwar geweckt, aber nicht gestillt wurde. Später fanden wir heraus, dass ein von einer Filmproduktionsfirma gechartertes Boot genau an diesem Tag vor der Küste große blutige Köder ausgeworfen hatte.
    Diffuses Sonnenlicht drang durch die hohen Wolken und beschien das Meer wie eine Straßenlaterne, deren Schein auf einen Fluss fällt. Die Wellen hatten verblüffend viel Kraft; sie kamen aus sehr tiefem Wasser und waren nicht höher als etwa einen Meter, bis sie schließlich auf das Riff trafen. Dann richteten sie sich auf doppelte Höhe auf, und noch während der vorderste Rand brach, bildete sich ein zweiter Rand unterhalb des ersten auf der Vorderseite der Welle, woraufhin die ganze Spitze der Welle abbrach, ein Phänomen, das als »Doubling-up» bekannt ist. Nach dem steilen Drop, den ich gerade noch schaffte, musste ich attackieren, um in die Hohlwand zu gelangen; das neue Board fühlte sich schnell und lebendig unter meinen Füßen an. Willie und Vince erwischten mehrere hohl brechende Wellen, dann kamen sie, von einem Ohr zum anderen grinsend, über den Wellenkamm herangeflogen.
    « Formidable, non? », rief Vince und wendete, um eine weitere große Welle zu reiten.
    «Erschröckliche Höhlen», fügte Willie noch hinzu und meinte damit die Hohlräume, die sich zwischen der herabbrechenden Front und der eigentlichen Welle bildeten.
    «Ziemlich hohl das alles», schrie Vince zurück. «Hier kommt das Hohlschoi-Ballett!»
    Es gelang mir nicht, meinen Weg in die Röhre zu finden, und Willie erklärte mir, dass man praktisch von hinten in sie hinein musste, dann lossausen, während der Wellenkamm über dir in weitem Bogen nach vorn geworfen wird – in einem Satz ausgedrückt: «Du musst von hinten in die Welle rein, so bleibst du in Deckung.» Das Schlimme war nur: Wenn man dieses Hineinkommen verpasste, geriet man in den Wellenkamm und machte unliebsame Bekanntschaft mit dem flachen Riff. Trotzdem, wir entwickelten einen Rhythmus, wechselten uns ab, redeten nicht viel, surften rein und paddelten raus, und der ruhige Wasserspiegel ließ einen die feinen Abstufungen von Wasserdichte und Widerstand spüren. Vince war im siebten Himmel, er war nicht der Kletterer, der für die größte Wand lebte, der Surfer, der sich nach der ultimativen Mega-Welle sehnte – er strebte einfach nach täglicher Perfektion, freute sich über einen Nachmittag mit guten Wellen. Er träumte nicht von den Drachen, die er da draußen töten mußte. Auf eine wunderbare Art fällt Surfen aus den Erzählungen über Tod und Veränderung heraus – es ergibt im Grunde keine Geschichte. In Gesprächen und Texten darüber hört man selten etwas über das eigentliche Surfen. Drei Stunden mit der tollsten Brandung in deinem Leben sind einfach nur das – nichts, worüber man etwas erzählen könnte. Man geht raus, kommt rein, surft und verbringt den größten Teil der Zeit mit Treibenlassen, Warten, Herumfahren. Man kann zwar das aufregende Gefühl beschreiben, wenn man nach dem Anpaddeln die Welle runtersaust, wird aber in Not geraten, wenn man schildern will, wie sich das Wasser bewegt, wie sich verschiedene Bewegungsvektoren anfühlen, die wilde Vitalität des Ganzen. Man kann drüber reden, dass man radikal carvt oder auf der Lippe reitet. Doch selbst dann, wenn sich der Zuhörer das Pulsieren der Welle tatsächlich vorstellen kann und sich ausmalt, wie aufregend es ist, auf dieses übernatürliche Strömen der Wellen zu reagieren und sich ihnen wieder zu entziehen, während sie donnernd auf ein Riff brechen, ergibt das noch immer keine Geschichte. Die gebrochene Achse eines Lkw und der sechsstündige Gewaltmarsch durch die Baja-Wüste, um Hilfe zu holen, all das kann noch Jahre später wiederholt werden; viel eher als ein «Ich hatte noch diesen superspäten Drop geschafft, und dann baute sich die Welle zu einer irren Tube auf, bevor sie einfach zumachte».
    Eine Surfsession ist also ein

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