Surf
passte.
Endlich, nach fast einem Monat, hatte ich mein Board bekommen: Jack hatte es am Vorabend in einem Anfall schlechten Gewissens vorbeigebracht. Er schien sich nicht nur für seine Saumseligkeit entschuldigen zu wollen, aber in meinen Augen sah das Brett phantastisch aus, nicht zuletzt deshalb, weil unter dem Fiberglas, direkt neben den Angaben zum Design, die Worte standen «Shaped for Dan». Vince schien nicht beeindruckt und meinte, er könne erkennen, wie gut ein Board funktioniere, sobald er es in Händen halte; dreißig Jahre an aufgesogenen Informationen und Daten, gespeichert in den Fingerspitzen. Ein Brett musste sich bei der ersten Berührung lebendig anfühlen, oder er wollte nichts damit zu tun haben. Eine weitere Besonderheit: Wie viele Surfer behauptete Vince, dass manche Boards einfach «nicht funktionierten» und andere, ganz ähnliche, absolut magisch seien. Angesichts der Tatsache, dass diese Unterschiede für einen Nichtsurfer viel zu fein sind und Surfbretter keine beweglichen Teile haben, leuchtete mir die Idee, ein Brett könne «nicht funktionieren», nicht ganz ein. Wahrscheinlich würde sich das im Wasser erweisen.
Vince hatte mich kurz nach Sonnenaufgang abgeholt, und wir hatten bereits dreißig Meilen Strand südlich von Santa Cruz inspiziert. Da aber keine einzige Sandbank nach seinem Geschmack war, fuhren wir zu Willie, der weiter oben an der Küste wohnte.
«Übrigens – wovon lebt Willie eigentlich?», fragte ich Vince, als wir uns der Farm näherten, auf der Willie wohnte. Die Frage ließ mir schon seit langem keine Ruhe: anständiges Auto, gute Kleidung, guter Zahnarzt, keine offensichtlichen Verpflichtungen.
Vince musste laut lachen, als habe er schon auf diese Frage gewartet. «Unklar», sagte er, sah mich von der Seite an und hob die Augenbrauen. Ein großer Sattelschlepper kam uns entgegen, beladen mit Kisten voller Rosenkohl.
«Du hast keinerlei Vorstellung?» Ich hatte so eine Ahnung, dass Willie unser Gespräch, könnte er es hören, bestimmt nicht gutheißen würde. Außerdem hatte Vince nebenbei erwähnt, es könne Willie missfallen, wenn wir einfach hereingeschneit kämen, ohne vorher bei ihm anzurufen; da er aber alle Anrufe erstmal auf dem Anrufbeantworter speichert, ist es schwierig, sich spontan mit ihm zu verabreden.
«Er behauptet, auf der Farm zu arbeiten», sagte Vince, «aber in zehn Jahren habe ich noch nie erlebt, dass er je eine Dünung ausgelassen hätte. Und seine Reisen? Kein Problem. Im vorigen Sommer sechs Wochen in Chile, in diesem Sommer Costa Rica… Hast du gewusst, dass er in Indo gelebt hat?»
«Wo?»
Vince bremste, als ein anderer Wagen signalisierte, dass er nach links über den Highway abbiegen wollte. «Indonesien», sagte Vince. «Aber das ist der Teil, über den ich mir nicht im Klaren bin. Offenbar hat er sein Studium in Harvard in den Siebzigern abgebrochen, aber ansonsten … misterioso .» Er bog rechts ab auf eine unbefestigte Straße und folgte ihr fast eine Meile den Hügel hinauf unter dichten Eichen; die Straße beschrieb mehrere Kurven, bis sie auf einen breiten Hof voller verrosteter Autos mündete. Ich sah kein Haus, und die beiden langen, fensterlosen braunen Gebäude am Rand des Hofs sahen aus wie zugenagelte Baracken oder Geräteschuppen. Ein einstmals gelber Grubber rostete neben einem feinmaschig verkleideten Verhau voller Hausmüll vor sich hin; ein paar weiße T-Shirts und rosa Damenunterwäsche hingen auf einer Wäscheleine. Dahinter gaben weite Felder einen unverbauten Blick frei auf die Hügel, das gedämpfte Grün der Artischockenfelder gegenüber vom Highway sowie das grellweiße Meer. Der ganze Ort hier wirkte wie eine luftige Ebene voller Grün auf brauner Erde, ein aus all dem windgepeitschten Wasser in den überwältigenden Himmel aufsteigendes Stück Land fern der Stadt; die reglose Stille auf dem Highway war fast körperlich spürbar. Im Gras neben einem weißen Plymouth ohne Reifen döste ein großer Labrador; ein silberhaariger Mann mit hellbraunen Augen und weicher, rosiger Gesichtshaut saß auf einem Stuhl neben einem der Schuppen und begrüßte uns lächelnd – glücklich und zufrieden an seinem kleinen Platz an der Sonne. «Ein Experte für Basilikum», sagte Vince leise; ein Teil seines Lebens sei dem Müßiggang, ein anderer dem Pesto gewidmet. Das Grundstück gehöre dem Basilikum-Burschen, und Willie zahle offenbar keine Miete, sagte Vince.
« Coño », sagte Vince und lächelte.
«Ja,
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