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Surf

Surf

Titel: Surf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Duane
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dass du unsere Zeitschrift gekauft hast, aber komm bitte nie hierher. Das ist zwar eine Haltung, deren Vorteil ich inzwischen erkenne, denn es gibt nur wenige gute Surfspots und viele Surfer, aber ich könnte auf diesen kannibalischen Verdrängungswettbewerb gut verzichten.
    Ich wusch jedenfalls meinen Teller und meine Tasse sorgfältig ab, lud das von meinem Onkel geerbte Board samt abgewetztem Neoprenanzug in den Pick-up und fuhr los, um die Gegend auszukundschaften. Vorbei an von Eukalyptusbäumen überschatteten Lagunen, wo an Gartenstegen Ruderboote vertäut lagen, wo es unkonventionelle Häuschen auf großen, überwucherten Grundstücken neben Stränden gab, bis ich schließlich zu einer schmalen Straße kam, an der kleine Häuser mit großen Panoramafenstern an einer Bucht mit hellblauem Wasser standen. In mediterranem Klima fällt im Herbst kaum Regen, doch dieser Ausklang des kalifornischen Sommers, wenn die Täler im Landesinneren so weit abkühlen, dass die Nebelbänke draußen auf See bleiben und der Küste einige kostbare Wochen warmen Wetters gewähren, gilt immer als Herbst; der Nebel ist jetzt eine wirbelnde, verschwommene Wolke weit jenseits der Surferhorden, die im Sonnenschein dahindümpeln. Die Vormittage um diese Zeit waren köstlich frisch, die Luft kalt, klar und salzig, die Sonne stand tief und glitzerte silbern auf dem stillen Meer, während kleine Wellen unter dem Seetang hindurchrollten und keinen Betrachter daran zweifeln ließen, dass die besten Dinge im Leben umsonst zu haben sind oder zumindest nicht direkt Geld kosten, was zugegebenermaßen nicht ganz dasselbe ist. Und das empfanden offenbar auch die rund hundert Müßiggänger entlang des Kliffs, die Ortsansässigen auf den kleinen Bänken, die beim spätvormittäglichen Kaffee miteinander plauderten, die Trinker, die bei einem kleinen Thunderbird ausnüchterten, die Jogger, die ihren Kopf zum Wasser drehten; sie alle sahen dem Schaukeln und Gleiten der Surfbretter auf den Wellen zu.
    Ein paar schlanke, entspannte und überaus fit wirkende Jugendliche mit bloßem Oberkörper standen da, wo ich parkte. Außerdem noch ein paar Kerle mit Glatzen und fiesen, verbeulten Fressen, Tätowierungen, Stirnbändern und extrem weiten Klamotten – die weiße Surfer/Skater-Fraktion im Los-Angeles-Chicano-Gangster-Outfit. Sie genossen ihre Gruppenzugehörigkeit, rangelten miteinander und schrien vorüberfahrenden Cabrios nach; ein paar von ihnen rauchten Zigaretten, andere tranken ostentativ Whiskey zum Frühstück. Das war zwar nicht das unberührte grüne Tal, das ich mir vorgestellt hatte, alle Claims waren ziemlich abgesteckt, und es gab schon zu viel Fortschritt für meinen Geschmack, aber ich kaufte mir trotzdem eine Flasche Orangensaft in einem kleinen Laden, einem chinesischen Außenposten in der westlichen Welt, setzte mich auf ein Geländer und beobachtete zwei bekiffte Wracks unten am Strand. Mit einem Luftgewehr hielten sie eine große Kanalratte in Schach, die sie aufgestöbert hatten, um sie abzuknallen, und lachten sich schlapp. Während ich in meine Montur schlüpfte, stieg ein Junge in einem gelbschwarzen Neoprenanzug aus dem Wasser, nahm sein Board und winkte den Rattenjägern eine etwas ängstliche Begrüßung zu. Der mit dem Gewehr – ein kräftig gebauter, tätowierter Typ mit kleinen Augen und bloßem Oberkörper – stierte leer zurück, gluckste, sah seinen Freund an, der nickte, und fing an zu schießen.
    «Was jagt ihr denn da, Jungs?», fragte der Junge schüchtern und strebte rasch der Betontreppe zu. Die Leute auf dem Gehsteig beugten sich über das Geländer, um ja nichts zu verpassen.
    «Nichts Besonderes, du Kniich», meinte der Schütze, nahm den Hintern des Jungen ins Visier und drückte ab. Der Junge schrie auf und lachte, weinte ein bisschen und versuchte schließlich tapfer weiterzulachen, als ob auch er das alles unheimlich witzig fände.
    Etwas abwesend sah ich hinaus aufs Meer und rieb die Standfläche meines von der Sonne vergilbten, 1,83 m langen, doppelfinnigen Surfboards mit kokosaromatisiertem Wachs ein. Dann streifte ich meine Superhelden-Montur aus Gummi über (die allerdings weniger wie das Neueste aus den Marvel-Comics aussah, sondern eher wie ein alter Tiefseeanzug von Kapitän Nemo) und stieg die ausgetretenen Stufen der Behelfstreppe aus Beton hinunter, an deren Geländer lauter Zettelchen für Surfboard-Reparaturen steckten. In der offenen Bucht unter mir umschlangen die Wellen weit die Mündung,

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