Survive
schlagen. Mein Körper wird auf das Ufer zugeschwemmt, und ich klatsche an die Ufersteine, wo sich kurz vor der scharfen Biegung des Flusses das strudelnde Wasser an der Uferwand staut.
Ich stemme mich hoch, klammere mich an die Uferkante und hake mich mit meinem rechten Bein auf dem Stein fest, dann rolle ich auf festen Boden. Ich huste und würge Wasser und Galle in den Schnee. Ich schluchze und zittere, und meine Finger und Hände brennen vor Schmerz. Nach einer Weile knie ich mich hoch, um meinen Schlafsack abzuwerfen. Ich habe keine Ahnung, wie viel oder wie wenig Zeit verstrichen ist. Ich schiebe meine erfrorenen Arme in den kalt gefrorenen Schlafsack und packe die Schnürbänder mit den Zähnen. Ich ziehe den Knoten auf, und der Schlafsack rollt sich auf.
Ich schiebe das Knie auf die Schlafsacköffnung, aber ich kann mit meinen abgefrorenen Fingern den gefütterten Rand nicht halten, also beiße ich hinein und ziehe die Schnürung mit den Zähnen auf. Ich fasse in den Schlafsack und greife nach meinen Kleidern. Meine Hände sind dabei ungefähr so nützlich wie Keulen, aber es klappt. Der Schlafsack ist feucht geworden, doch meine Kleider sind trocken.
Meine Bewegungen sind schwerfällig und unbeholfen, trotzdem gelingt es mir, meine trockenen Kleider und meine Jacke anzuziehen. Ich halte meine eisigen Hände unter meinen Kleidern dicht an mein Herz gedrückt. Sie werden unter diesen Bedingungen nie mehr warm werden, aber ich hoffe, die Unterkühlung so lange wie möglich aufhalten zu können. Ich lege den nassen Schlafsack über meinen Körper, wobei ich mir das schützende obere Ende über den Kopf hänge. Von Weitem muss ich aussehen wie ein Scheich oder ein Nomade, der mit einem langen dunkelgrünen Umhang durch den Schnee stapft.
In der Ferne kann ich die dunkle Linie erkennen. Ich blicke zum Himmel auf, und plötzlich kommt die Sonne heraus, zum ersten Mal seit dem Absturz ungetrübt, mit voller Kraft. Sie wärmt mir das Gesicht.
Ich muss dieses freie Areal noch vor Sonnenuntergang überquert haben. Noch eine Nacht unter dem Schnee – in einem nassen Schlafsack, mit durchweichten Hosen – und ich werde den Morgen nicht erleben.
Mein Körper zittert vor Kälte. Vor ein paar Tagen produzierte die körperliche Bewegung noch Wärme, die ich dazu benutzen konnte, Schnee zu schmelzen oder meine Hände zu wärmen oder, mit Paul, nachts unsere Körper warm zu halten. Aber ich bin nicht mehr in der Lage, Wärme zu erzeugen. Vielleicht schaffe ich es noch bis zum Horizont, aber wenn dort niemand ist, um mir zu helfen, werde ich bei Tagesanbruch tot sein.
Kapitel 35
Ich wandere weiter, und langsam geht die Sonne unter. Eine niedrige Decke aus dunklen Wolken liegt drohend über mir. Es schneit – zuerst leicht, doch dann wird es immer heftiger, und der Wind frischt auf. Glücklicherweise bleibt der Wind in meinem Rücken. Ich konzentriere meine Gedanken auf das eine, was ich mit Sicherheit weiß: Hinter den Wolken war die Sonne heute heller als sonst. Wolken kommen und gehen, und genauso Stürme, Regen und Wind, aber die Sonne wird jeden Morgen neu aufgehen.
Ich stelle mir vor, wie sie ihre Laufrichtung ändert und wieder aufgeht, durch die Wolken bricht, mich wärmt und meine Kleider trocknet. Ich stelle mir vor, wie ihr Licht über den Fluss strahlt und ihn funkeln lässt, wie es schimmernd über das Tal und die Berge streicht und sie aufglühen. Ich stelle mir Paul vor, der oben auf dem Berg steht und sich in der Wärme der Sonne badet. Ich lächle bei dem Gedanken, und ich stelle mir vor, die Wärme seines Körpers an meinem zu spüren und uns zusammen in der Sonne stehen zu sehen. Er flüstert wieder und wieder meinen Namen: »Jane, Jane, Jane.«
Eine Träne steigt mir in die Augen, und ich spüre ihre Wärme, wie sie mein Gesicht hinunterrollt, und dann kommt die nächste Träne. Ich weiß nicht, warum ich weine, aber ich spüre, dass sich irgendwo in mir etwas löst, als beginne ein Damm zu brechen. Der lange Weg, den ich gegangen bin, seit das Flugzeug gegen diesen Berg gekracht ist, hat mich zu diesem Augenblick hingeleitet. Old Doctor würde sagen, dass ich schon erheblich länger auf dieser Reise war als nur die vergangenen sechs Tage in dieser Apokalypse aus Eis. Noch vor einer Woche, in einer Sitzung mit ihm oder der ganzen Gruppe, hätte ich laut, oder wahrscheinlich nur leise in mich hinein, darüber gekichert, was für ein Haufen Scheiße das alles doch ist. Aber heute kann ich den
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