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Susan Andersen

Susan Andersen

Titel: Susan Andersen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosarot in Seattle
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Erstarrung. Sie rutschte rückwärts, rappelte sich hoch und raste über das Dach. An dessen Ende sprang sie auf das Dach des südlichen Gebäudes und lief mit langen, sicheren Schritten weiter, obwohl sie vor Angst beinahe gestorben wäre. Ihr Daddy war in der Highschool ein grandioser Läufer gewesen und hatte ihr von Kindesbeinen an beigebracht zu rennen. Er hatte immer gesagt, sie sei der Sohn, den er nie gehabt, und die Tochter, die er sich immer gewünscht hatte.
    Aber daran durfte sie jetzt nicht denken, weil sie dann weiche Knie bekam. Sie schob alle Gedanken an ihre Familie zur Seite, sprintete über das zweite Gebäude und sprang auf ein drittes. Es hatte Heizungs- oder Luftschächte und eine Art Verschlag mit einer Tür, die in das Gebäude führte. Cory blieb abrupt stehen. Sie konnte nicht einfach weiterrennen – zumindest nicht, ohne einmal kurz nachzudenken. Der Muskelmann war nicht auf das Dach der Zahnarztpraxis geklettert, um sie zu verfolgen. Also versuchte er wohl, sie beim letzten Gebäude abzufangen. Zumindest hoffte sie, dass er das tun würde. Denn sie beschloss in dieser Sekunde, genau hier das Dach zu verlassen, und griff nach dem Türknauf.
    Abgeschlossen. Doch am hinteren Teil des Gebäudes gab es eine Feuerleiter. Vorsichtig ging sie darauf zu und spähte über das Dach.
    Und hätte sich vor Schreck beinahe in die Hose gemacht. In der Millisekunde bevor sie ihren Kopf wieder zurückriss, sah sie den Muskelmann – einen großen, hässlichen Typen –, der mit der Pistole in beiden Händen direkt auf sie zielte.
    Und wie er bereits bewiesen hatte, scheute er sich nicht, sie zu benutzen. Das Klicken des Abzugs dröhnte lauter als ein Donnerschlag.
    Fast gleichzeitig traf die Kugel einen der Luftschächte direkt hinter ihr und prallte ab. Es gelang Cory, ein mädchenhaftes Kreischen zu unterdrücken, allerdings nur mit Mühe. Schon vor langer Zeit hatte sie sich angewöhnt, sich wie ein Junge zu kleiden, wenn sie zum Sprayen auf die Straße ging. Das war einfach sicherer. Selbst die Bullen und der Ladenbesitzer, der sie vor zwei Wochen geschnappt hatte, hielten sie für einen Jungen. Nicht, dass sie sich für einen ausgegeben hätte, aber sie war groß, und sie konnte gehen und reden wie ein Kerl, wenn es sein musste. Außerdem war Cory sowohl ein Mädchen- wie auch ein Jungenname.
    Wenn sie das hier überlebte, würde ihr diese Tatsache sehr helfen. Denn es war ungleich schwerer, einen männlichen Sprayer ausfindig zu machen als einen weiblichen.
    Sie spurtete los in die Richtung, aus der sie gekommen war, und hörte hinter sich die Feuerleiter unter dem Gewicht des Typen knarren. Doch das Adrenalin, das durch ihre Adern schoss, wirkte wie ein Turboantrieb. Blitzschnell raste sie zurück zum Dach der Zahnarztpraxis. Dort ließ sie sich auf den Hintern fallen, rollte herum, klammerte sich an der Dachrinne fest, ließ sich fallen und knickte die Knie ein, um den Aufprall zu mildern. Mit einer Hand drückte sie sich hoch und jagte wie ein geölter Blitz Richtung Forty-fifth. Als sie die Hauptstraße erreichte, rannte sie quer über eine Tankstelle. Dann wurde sie etwas langsamer, drückte sich in den Schatten eines Gebäudes und hörte eine Polizeisirene durch die Nacht heulen. Eine Sekunde später raste ein blauweißer Wagen mit kreisendem Blaulicht an ihr vorbei.
    Als sie weiterlief, überholte Cory zwei Studenten, die über den Gehweg schwankten, und ließ das Geschäftsviertel hinter sich. Beim Laufen warf sie immer wieder einen Blick über die Schulter, um sicherzugehen, dass niemand ihr folgte. Sie sprang über Zäune und durchquerte Gärten. Erst als sie viele Blöcke gelaufen war, zügelte sie das Tempo und begann darüber nachzudenken, wie sie nach Hause kommen sollte. Ihre Mutter würde ausrasten. Nicht nur, weil sie um diese Uhrzeit noch unterwegs war, sondern auch wegen ihrer Verkleidung.
    Was sie wieder daran denken ließ, wie sie sich den Ladenbesitzern gegenüber präsentiert hatte. Sie wusste selbst nicht mehr genau, warum sie sich in der Szene nicht als Mädchen zu erkennen gab. Vermutlich diente es als Schutz. Mädchen auf der Straße waren viel verletzlicher. Wenn Danny G. und Henry die Wahrheit herausfanden, war ihre Deckung dahin.
    Bisher hatte sie einfach gehofft, dass die Sache funktionieren und niemand es jemals herausfinden würde.
    Aber natürlich war es anders gekommen. Darum musste sie morgen als sie selbst bei diesem Treffen erscheinen. Denn es war eine Sache,

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