Susan Mallery - Buchanan - 03
Gedächtnis eingebrannt – und der Klang seiner Stimme auch. Einen Moment lang dachte sie daran, sich diese Erinnerung operativ entfernen zu lassen. Wie nannte man das noch? Lo-botomie oder so ähnlich.
Sie musste sich zusammenreißen. Diese dunklen, wissenden Augen, sein beinah zu hübsches Gesicht und seine krumme Haltung, gegen die er eigentlich etwas tun sollte -und trotzdem war sie kurz davor, dahinzuschmelzen wie eine Zwölfjährige auf einem Popkonzert.
Reid Buchanan verkörperte alles, was sie an einem Mann abstoßend fand. Er hatte es immer leicht gehabt im Leben. Die Frauen warfen sich ihm an den Hals. Er war offensichtlich mal ein erfolgreicher Baseballspieler gewesen, aber sie interessierte sich nicht für Sport und beschäftigte sich auch nicht damit. Und er hatte sich in seinem ganzen Leben wahrscheinlich noch nie für eine Frau wie sie interessiert – viel zu durchschnittlich.
„Haben Sie nichts Besseres zu tun, als hier aufzutauchen und mir auf den Wecker zu fallen?“, fragte sie und drehte sich zu ihm um.
Seine Anwesenheit veränderte ihr gesamtes Körpergefühl. Sie glaubte, keine Luft mehr zu bekommen, und konnte kaum einen klaren Gedanken fassen.
„Wie erfreulich, dass ich Ihnen auf den Wecker falle“, sagte er, „aber darum bin ich eigentlich nicht hier. Der Grund dafür ist, dass meine Großmutter heute nach Hause kommt.“
„Was Sie nicht sagen. Das habe ich in die Wege geleitet.“
„Ich dachte, ich fahre mal vorbei und besuche sie.“
„Sie freut sich sicher sehr darüber, dass Sie hier sind, vier Stunden, bevor sie selbst hier ist. Da wird ihre Genesung bestimmt doppelt so schnell gehen.“
Und damit drängelte sie sich an ihm vorbei und bemühte sich, das Gefühl, das sie spürte, als sie seinen Arm streifte, zu ignorieren. Wie peinlich! Sie kam sich wie ein Teenager vor. Aber auch das würde sie erfolgreich in den Griff bekommen.
„Sie kommt erst heute Nachmittag?“, fragte er und folgte ihr ins Arbeitszimmer.
„Genau so ist es. Es war großartig, Sie zu sehen. Aber jetzt müssen Sie leider wieder gehen.“
Er lehnte sich an den Türrahmen. Das tat er häufig, bemerkte sie. Wahrscheinlich wusste er, dass es unwiderstehlich aussah, dachte Lori. Bestimmt hatte er es vor dem Spiegel einstudiert.
Sie fand Reid primitiv und egoistisch und wusste, dass er nur auf Frauen stand, die so perfekt waren wie er selbst. Also warum fand sie ihn anziehend? Sie war eine intelligente Frau, sie sollte es besser wissen. Aber gegen ihre Empfindungen hatte ihre Vernunft einfach keine Chance.
Klischee einer kleinen Durchschnittsfrau, die sich nach dem Unerreichbaren sehnte. Wahrscheinlich waren die Regale in den Buchläden voll mit Ratgebern zu diesem Thema. Vielleicht sollte sie mal einen Blick in so ein Buch werfen, dann wäre sie möglicherweise geheilt.
Aber fürs Erste war sie machtlos.
„Wollten Sie nicht gehen?“, fragte sie.
„Doch, aber ich komme noch mal wieder.“
„Ich werde die Minuten zählen.“
„Viel Spaß.“ Er bewegte sich keinen Millimeter.
„Ist noch was?“, fragte sie. „Worauf warten Sie?“
Er verzog den Mund zu einem feinen sexy Lächeln, das ihr Herz schneller schlagen ließ. Die nächste Blamage vor sich selbst.
„Sie lesen wohl keine Zeitung, wie?“, wollte er wissen.
„Nein. Ich gehe morgens joggen und höre Musik dabei.“
Sein Lächeln wurde breiter. „Schön. Dann bis später.“
„Kommen Sie doch vorbei, wenn die Nachtschwester da ist. Was halten Sie davon?“
„Dann wäre Ihr Tag doch nur halb so schön: Sie hätten niemanden, zu dem Sie unfreundlich sein könnten. Auf Wiedersehen, Lori.“
Und weg war er.
„Sind Sie die Betreuerin von Gloria Buchanan?“, fragte die Frau an der Rezeption der Reha-Klinik sie. „Na dann: herzliches Beileid.“
Lori wollte nicht mit dem Personal plaudern, sondern ihre Patientin nach Hause bringen. Andererseits war es nützlich, einige Informationen vorab zu erhalten. Je mehr sie wusste, desto besser konnte sie planen.
„Schlechte Laune wegen der Schmerzen?“, fragte Lori und las das Namensschild ihrer Kollegin, das an deren Bluse steckte. „Ach Vicki, das kommt doch häufig vor. Wenn es ihr besser geht, hat sie auch wieder bessere Laune.“
„Ich glaube nicht, dass ihre miese Laune an den Schmerzen liegt“, sagte Vicki. „Sie beschwert sich die ganze Zeit, meckert an allem herum: an ihrem Zimmer, am Essen, an der Behandlung, den Leuten, dem Wetter. Ich sag’s Ihnen: Hier sind alle
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