Susan Price
Stimme ließ sie aufhorchen. Hilds Stimme klang zornig und dringlich. Etwas Ungewöhnliches musste draußen vor sich gehen. Ebba merkte immer sehr schnell, wenn sich etwas außer der Reihe ereignete.
Hild stampfte ins Haus, wobei sie den Kopf unter dem niedrigen Türsturz einziehen musste.
»Diese verdammten Leute!«, schimpfte sie. »Ständig kommen sie her, schnüffeln herum und belästigen uns. Keiner hat sie hergebeten!«
Ebba ließ den Kopf wieder sinken und drehte weiter den Mühlstein, ohne nachzufragen. Wenn man Hild Fragen stellte, wurde sie sauer. Sagte man nichts, rückte sie früher oder später mit allem heraus, was es zu erfahren gab.
Hild schaute sich in dem düsteren Haus um. Es war trocken, warm und gemütlich, aber keineswegs schön oder ordentlich aufgeräumt. Zum Schlafen gab es Strohschütten auf Bänken mit darübergeworfenen Decken, dazwischen lagen verstreut Teller und Schüsseln. »Ja, das wird wohl reichen müssen«, sagte sie. »Wenn Leute ohne Voranmeldung kommen, müssen sie damit vorliebnehmen, wie es ist.« Ebba sagte immer noch nichts, sondern drehte weiter den Mühlstein. »Owen wird nicht begeistert sein«, fuhr Hild fort, »wenn man ihn um diese Tageszeit von der Arbeit wegholt. Ich schätze, Elfling wird überhaupt nicht kommen. Und das ist seine Schuld.« Danach ging Hild wieder hinaus auf den Hof.
Ebba wusste alles, was sie wissen wollte, und arbeitete mit frischer Kraft und besserer Laune weiter. Bald würde es eine Pause geben. Bald würde Owen kommen, dann die Besucher, und niemand würde von ihr erwarten, dass sie weitermahlte, nicht einmal Hild.
Seit die Gerüchte über Elfling sich im Land verbreitet hatten, waren immer mehr Besucher zum Hof gekommen, ohne Ankündigung oder Einladung. Immer waren die Menschen wegen Elfling neugierig gewesen, vor allem wegen der Geschichten, die man sich über seine Eltern erzählte. Die Leute fanden irgendwelche Vorwände, um herüberzukommen und sich ihn anzuschauen. Doch oft waren sie enttäuscht, weil er keine grünen Haare oder Pferdeohren oder Ziegenaugen oder Hörner auf dem Kopf hatte. Sie zogen von dannen und berichteten, dass er ungewöhnlich gut aussah, und so tauchte immer wieder jemand mit einer fadenscheinigen Ausrede auf und lungerte herum, in der klaren Erwartung, einen Blick auf Elfling werfen zu können. Das war nicht leicht, weil Elfling es nicht mochte, wenn man ihn begaffte.
Die Besucher waren noch schlimmer geworden, als sich die Nachricht verbreitet hatte, dass Elfling heilen konnte. Zuerst waren es nur die ärmeren Menschen aus den Tälern und Bergen der Umgebung. Sie tauchten nach dem langen Marsch erschöpft auf, brachten ein krankes Kind oder eines, das ins Feuer gefallen oder mit einer Missbildung geboren worden war. Manchmal hatten sie auch eine kranke Frau in einer Decke herangeschleppt oder jemanden mit einer tiefen Schnittwunde oder einen, der sich bei einer Schlägerei oder einem Sturz den Kopf verletzt hatte. Was dann geschah, hing einzig und allein von Elfling ab. Gewöhnlich warf er zumindest einen Blick auf den Kranken. Manchmal linderte oder heilte er mit großer Sanftmut und Freundlichkeit, ja sogar liebevoller Güte. Was immer er tat, stets nahmen die Besucher eine gute Geschichte mit nach Hause, was dazu führte, dass noch mehr Menschen kamen – sogar von noch weiter weg. Es schien keine Rolle zu spielen, dass er manchen Menschen die Heilung verweigert oder ihnen brüsk gesagt hatte, dass sie in wenigen Tagen sterben würden. Manche brachten sogar kranke Tiere. Elfling heilte diese ebenso wie die Menschen.
»Am liebsten wär mir, er würde sie alle wegschicken«, sagte Hild. »Wenn sich das erst herumspricht, würde das Gerenne bald aufhören. Aber solange er einigen hilft – und ich so blöd bin, sie durchzufüttern, und wir alle zusammenrücken, um ihnen einen Platz am Feuer zu gewähren –, ja, so lange kommen sie natürlich weiter her. Eine Plage!«
Die von weiter her kamen, waren in der Regel wohlhabender als die aus der näheren Umgebung. Sonst hätten sie sich die Reise nicht leisten können. Hild hasste sie, weil sie sich so offensichtlich für etwas Besseres als sie hielten und weil sie erwarteten, dass alle auf dem Hof die Arbeit stehen und liegen ließen und sich um sie kümmerten. Jedenfalls behauptete das Hild stets. Ebba fand einige ganz nett. Und wenn Elfling ihnen half, ließen sie für gewöhnlich ein Geschenk zurück. »Sie kommen her«, klagte Hild, »bringen ein ganzes
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