Susannah - 02 Auch Geister haben hübsche Söhne
umbringen. Würde uns umbringen, wenn ich es nicht verhinderte.
Ich konnte noch immer nicht hundertprozentig klar denken, aber ich wusste, vor dem Zerbersten des Aquariums war es mir extrem wichtig vorgekommen, auf die andere Seite des Glasbehälters zu gelangen.
Also watete ich durch das Wasser – meine Stiefel waren endgültig hinüber – und kletterte an der anderen Wand, wo die Reste des Aquariums standen, auf etwas, das wie ein erhöhtes Podest aussah. Um mich herum ein Meer wild um sich schlagender Fisch-schwänze. Die Aquariumlichter, die in den bunten Kies am Boden eingelassen waren, leuchteten immer noch zu mir hoch.
»Susannah«, hörte ich Jesses Stimme. Er war mir gefolgt und blickte nun neugierig von unten zu mir hoch. »Was hast du vor?«
Ich beachtete ihn nicht – genauso wenig wie Marcus, der immer noch fluchend versuchte, das Zimmer zu durchqueren, ohne sich die Schickimicki-Schuhe noch mehr zu ruinieren als sowieso schon.
Ich stand im Inneren des zerstörten Aquariums und schaute nach oben. Wie vermutet wurden die Fische aus einem Zimmer hinter dem Aquarium gefüttert … einem Zimmer, das nichts anderes enthielt als Aquarium-Zubehör. Die verschlossene Tür in Mr Beaumonts Büro führte in diesen Raum. Fluchtmöglichkeit gleich null.
Nicht dass das jetzt noch wichtig gewesen wäre.
»Kommen Sie da runter.« Marcus klang wirklich aufgebracht. »Kommen Sie sofort runter, sonst komme ich hoch und fische Sie da raus …«
Mich rausfischen . Das kam mir unter den gegebenen Umständen total komisch vor und ich fing an zu lachen.
»Susannah«, sagte Jesse. »Ich glaube …«
»Ihnen wird das Lachen schon noch vergehen«, verkündete Marcus, »wenn ich Sie in die Finger kriege, Sie blöde Schlampe.«
Ich verstummte schlagartig.
»Susannah«, sagte Jesse. Jetzt hörte er sich richtig besorgt an.
»Keine Angst, Jesse«, sagte ich ganz ruhig. »Ich hab alles unter Kontrolle.«
»Jesse?« Marcus schaute sich um, sah aber außer Tad natürlich niemanden. »Ich heiße Marcus, schon vergessen? Und jetzt kommen Sie da runter. Wir haben keine Zeit mehr für diese infantilen Spielchen …«
Ich bückte mich und nahm mir eine der Leuchten, die, halb im Sand verbuddelt, am Boden des Aquariums schimmerten. Das Ding sah wie ein kleines Flutlicht aus und war ziemlich heiß, wie sich herausstellte.
Marcus, dem langsam dämmerte, dass ich ihm nicht freiwillig gehorchen würde, griff seufzend in seine Anzugjacke, die mittlerweile ebenfalls triefnass und stinkend war. Er würde sich vor seiner Verabredung zum Mittagessen noch mal umziehen müssen.
»Okay, Sie wollen es ja nicht anders.« Er zog einen schimmernden kleinen Metallgegenstand aus der Brusttasche – eine winzig kleine Waffe, eine Zweiundzwanziger oder so. Ich hatte lange genug Polizeiserien geguckt, um das Ding zu erkennen.
»Sehen Sie das?« Marcus zielte damit auf mich. »Ich möchte Sie nicht erschießen. Der Gerichtsmediziner findet Schusswunden an ertrunkenen Opfern bestimmt ziemlich merkwürdig. Aber ich könnte dafür sorgen, dass Sie von der Bootsschraube zerstückelt werden, sodass das keinem mehr auffallen wird. Vielleicht wird ja auch nur Ihr Kopf an Land gespült. Das würde Ihrer Mutter doch sicher gefallen, nicht wahr? So, und jetzt legen Sie die Lampe weg und kommen Sie.«
Ich richtete mich auf, legte die Lampe aber nicht weg, sondern zerrte sie hinter mir her, genau wie das Kabel, mit dem es im Sand verankert gewesen war.
»Schon besser«, sagte Marcus selbstgefällig. »Jetzt noch die Lampe weglegen und …«
Jesse, der neben meinem Möchtegernmörder im Wasser stand, hatte die Szene höchst interessiert mit angesehen. »Susannah«, sagte er. »Der Mann hat eine Waffe. Soll ich ihn …?«
»Keine Sorge, Jesse.« Ich bewegte mich auf den Rand des Aquariums zu, dort, wo zuvor die Glaswand gewesen war. »Es ist alles okay.«
»Wer zum Teufel ist Jesse?« Langsam wurde Marcus wirklich ärgerlich. »Es gibt hier keinen Jesse. Jetzt legen Sie endlich das Ding weg.«
Also tat ich, wie mir geheißen. Na ja, zumindest so ungefähr. Ich wickelte das Lampenkabel um meine linke Hand und zog dann so daran, dass sich das Kabel aus der Lampe löste. Nun hatte ich in einer Hand die Lampe, in der anderen das Kabelende mit den herausbaumelnden Drähten.
»Na großartig«, sagte Marcus. »Jetzt haben Sie sie kaputt gemacht. Wow, das beeindruckt mich aber! Und jetzt runter da !«, brüllte er.
Ich machte einen Schritt nach vorn.
»Ich
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