Susanne Barden 02 Zeig, was du kannst
zeigen. Natürlich würde sie diese Neuerungen nicht sofort einführen, sondern nach und nach. Dann würde die Schulleitung eines Tages mit Staunen entdecken, daß die Stationsschwester von Station 29 ein Genie war.
Diese schönen Vorsätze ließen sich jedoch nicht so leicht in die Tat umsetzen. Es gehörte mehr dazu, eine Station zu leiten, als Susy geglaubt hatte, und sie mußte ihren Plan, den Schwestern ein Paradies darin zu bereiten, vorläufig aufgeben. Fünfundzwanzig Patienten mit Essen, Medikamenten, besonderer Diätkost und der notwendigen Wäsche zu versorgen, war keine Kleinigkeit. Susy mußte den Stationsarzt, die Assistenzärzte und die Inspektorin auf ihrer Runde begleiten. Sie mußte darauf achten, daß die Ärzte ihre Anordnungen aufschrieben und nicht nur mündlich mitteilten. Sie hatte die Arbeit der Reinemachefrau zu überwachen, denn der Krankensaal mußte immer peinlich sauber sein. Sie hatte dafür zu sorgen, daß die Anweisungen der Ärzte genau befolgt wurden. Außerdem war es die Aufgabe der Stationsschwester, Klagen der Patienten mit Takt und Festigkeit zu begegnen. Sie mußte darauf achten, daß sie sich wohl fühlten und gut versorgt wurden. Alle Arbeiten auf der Station mußten nach einem bestimmten Plan und zur rechten Zeit gemacht werden.
Unter diesen Umständen ließ es sich nicht immer vermeiden, die Schwestern bei einer Arbeit zu unterbrechen. Nach zwei Wochen glaubte Susy jedoch, die Station fest genug in der Hand zu haben, um ein paar Neuerungsversuche wagen zu können.
Die Arbeit auf der Station war zwischen vier Schwestern aufgeteilt. Eine hatte die Küche und die Ausgabe der Hauptmahlzeiten unter sich. Eine zweite hatte für Medikamente und Wäsche zu sorgen. Die dritte verwaltete das Laboratorium, und die vierte kümmerte sich um die Zwischenmahlzeiten um zehn und um drei. Eines Tages waren alle vier Schwestern mit ihren Arbeiten beschäftigt, als Susy sich daran erinnerte, daß der Patient Carter zur Röntgenabteilung gebracht werden mußte. Sie beschloß, ihn selber zu begleiten.
Bei ihrer Rückkehr erfuhr sie, daß während ihrer Abwesenheit zwei Assistenzärzte und die Inspektorin dagewesen waren. Die Inspektorin war sehr ärgerlich gewesen, Susy nicht auf ihrem Platz vorzufinden.
Einige Tage später versuchte Susy, ihre Idee durchzuführen, den Schwestern bei ihrer Arbeit zu helfen, anstatt müßig an ihrem Pult zu sitzen. Fräulein Master, die Inspektorin, fand sie im Wäschezimmer damit beschäftigt, Handtücher und Kissenbezüge auf dem Regal aufzustapeln.
»Was soll das bedeuten, Fräulein Barden?«
Susy erklärte es ihr. Die Schwestern wären überlastet. Sie wollte ihnen ein wenig helfen.
Die Inspektorin entgegnete freundlich, aber bestimmt: »Die saubere Wäsche aufzustapeln, ist Aufgabe Ihrer Schwestern. Sie können die Zügel einer Station nicht in der Hand behalten, wenn Sie nicht wissen, was vor sich geht. Ihr Platz ist an Ihrem Pult und nicht in der Wäschekammer. Wenn die Arbeit auf einer Station so schlecht eingeteilt ist, daß die Stationsschwester mithelfen muß, versteht sie nicht zu organisieren.«
»Ja, Fräulein Master.«
Susy folgte der weißgekleideten Gestalt in den Saal. Die Inspektorin ging zum Pult, sah die Liste durch, die den Tagesbedarf der Station enthielt, und prüfte dann den Dienstplan.
»Aber Fräulein Barden! Wie können Sie solch einen Dienstplan aufstellen! Ihnen bleibt ja heute abend nur eine einzige Schwester, um das Abendbrot auszugeben.«
»Es ging leider nicht anders«, erwiderte Susy. »Schwester Alli- son bat mich, sie gerade zu dieser Zeit zu beurlauben, und ich dachte ...«
»Was Schwester Allison wünscht, ist gänzlich gleichgültig, wenn es sich um den Dienst handelt. Richten Sie Ihren Dienstplan in Zukunft bitte besser ein, Fräulein Barden.«
»Gewiß, Fräulein Master.«
Susys Versuch, ihre Station zu einem Paradies für die Schwestern zu machen, war also kläglich gescheitert. Die Ansichten, die sie als junge Lernschwester gehabt hatte, änderten sich schnell und gründlich.
Aber es gab noch andere Probleme. Ein junger Hausarzt, der soeben erst sein theoretisches Studium beendet hatte und sich äußerst wichtig vorkam, brachte allerlei neue Ideen mit. Ihre Durchführung hätte die ganze Station durcheinandergebracht. Er hatte keine Ahnung von der Leitung einer Station und wußte noch nicht, daß der regelmäßige Tagesablauf um der Patienten willen niemals gestört werden durfte. So wollte er zum
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