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Susanne Barden - 03 in New York

Susanne Barden - 03 in New York

Titel: Susanne Barden - 03 in New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen D. Boylston
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Mädchen durch die Menge und genossen das Schauspiel, das sich ihnen bot, mit allen Sinnen. Als sie zur Henry Street gelangten, befanden sie sich plötzlich in einer ganz anderen Welt. In der breiten ruhigen Straße mit den alten Häusern, vor denen hin und wieder ein paar dürftige Bäume standen, herrschte eine Atmosphäre ruhiger Rechtschaffenheit. In früheren Zeiten, bevor Lillian Wald hergekommen war, hatten hier dichtgedrängt ungesunde Mietshäuser ohne Kanalisation, ohne Licht und Luft und oft sogar ohne Wasserleitung gestanden. Das Viertel war ein Seuchenherd gewesen und eine drohende Gefahr bei Bränden.
    Susy und Kit, die das wohl wußten, bewunderten das jetzt so reinliche und ansehnliche Gesicht der Straße. Beide entdeckten das Haus, zu dem sie hinstrebten, im selben Augenblick, aber erst als sie dicht davor standen, denn äußerlich unterschied es sich nur durch das Schild über der Tür von den anderen Häusern.
    Innen jedoch sah es zweifellos ganz anders aus. Die Mädchen traten in eine niedrige holzgetäfelte Diele, deren Fußboden mit grünen Kacheln belegt war. Eine Telefonistin, die vor einem Schaltbrett saß, lächelte ihnen zu. »Das Schwesternbüro befindet sich oben, letzte Tür rechts.«
    »Danke.« Die Mädchen gingen die Treppe hinauf, warfen einen flüchtigen Blick in ein großes Wohnzimmer, das mit hellen Chintzmöbeln ausgestattet war, und standen schließlich in der Tür eines Bürozimmers mit langen Tischen, Schreibpulten und Aktenschränken.
    Sie wurden von einer jungen Inspektorin begrüßt. »Ich heiße Russell«, stellte sie sich vor. Susy fragte sich, ob es Zufall oder Absicht war, daß alle Inspektorinnen der Henry-Street-Stiftung ungewöhnlich hübsch waren. Und alle hatten das gleiche liebenswürdige Wesen; es war wie ein Kennzeichen der Organisation.
    An den langen Tischen saßen einige Schwestern und arbeiteten Berichte aus. Im hinteren Teil des Raumes standen zwei Schwestern, die Susy bei dem Vortrag gesehen hatte. Fräulein Russell stellte die Mädchen vor und erklärte ihnen den Tagesablauf. »Morgens steht Ihnen eine Stunde für Schreibarbeiten zur Verfügung. Sie können dann Berichte schreiben, Briefe von Patienten beantworten und dergleichen mehr. Hier erhalten Sie auch jeden Tag Ihre Besuchsliste. Wenn Sie wollen, können Sie zum Mittagessen wiederkommen. Meistens essen die Schwestern jedoch in ihrem Bezirk und erkundigen sich telefonisch im Büro, ob neue Fälle vorliegen. Sie brauchen auch nicht um fünf Uhr hierher zurückzukehren. Viele Schwestern tun es jedoch, um ihre Taschen abzustellen und sich umzuziehen.«
    Die Inspektorin sprach noch über ein paar andere Einzelheiten, vor allem über die Berichte, auch »Familienakten« genannt, die Susy sehr kompliziert erschienen und sie mit bösen Vorahnungen erfüllten. Sie kam jedoch nicht dazu, etwas darüber zu äußern, denn ehe sie sich recht versah, befand sie sich schon wieder auf der Straße, und zwar in Begleitung einer Engländerin namens Kirmer.
    Fräulein Kirmer war seit fünfundzwanzig Jahren in demselben Bezirk als Schwester tätig und hatte schon mit Lillian Wald zusammengearbeitet. Susy sah sie ehrfürchtig von der Seite an und ging ein wenig befangen neben ihr her. Alles war ihr noch so neu, die Tracht, die schwere Tasche an ihrem Arm. Nun war sie endlich eine richtige Henry-Street-Schwester. Und was Fräulein MacDonald auch sagen mochte - sie freute sich »wahnsinnig«.
    Fräulein Kirmer ging mit dem stetigen elastischen Schritt eines Menschen, der es gewohnt ist, lange Strecken zu bewältigen. Sie schien das Gewicht ihrer Tasche überhaupt nicht zu spüren. Die Tasche war ein Stück von ihr selbst, ebenso wie die Tracht.
    Der Nachmittag erschien Susy zunächst als eine rasche Folge unzusammenhängender Eindrücke, die aber - hinterher betrachtet - ein vollständiges und klares Bild ergaben. Anfangs nahm sie nur flüchtig und verschwommen ein paar Einzelheiten wahr: die schwarzen Konturen der Häuser gegen den Himmel, die scharfe Kälte des Februarwindes, den Geruch von Meerwasser und Rauch; Hausflure, von deren Wänden der Putz abblätterte, schlecht beleuchtete Treppen mit wackligen Stufen, schmutzige Türen, den Gestank von Kohl und ungelüfteten Betten. Und dann blieb Fräulein Kirmer plötzlich an einer windigen Straßenecke stehen und schaute mit ihren hellen klaren Augen, die in dem scharfen Schatten ihres Hutrandes lagen, zu den ärmlichen Häusern hinauf. »Ich liebe diese alten

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