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Susanne Barden 05 - Jung verheiratet

Susanne Barden 05 - Jung verheiratet

Titel: Susanne Barden 05 - Jung verheiratet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen D. Boylston
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Wänden der Putz abblätterte. Nur ein leiser Wind strich ums Haus. Auf einer Kiste stand eine Kerze, deren flackerndes Licht auf die bunte Gesellschaft fiel, die sich hier zusammengefunden hatte. Mariannas Augen, die in dem schmalen blassen Gesicht unnatürlich groß und sehr dunkel aussahen, wanderten langsam von einem zum anderen. Ira, braungebrannt, stark und unerschütterlich wie ein Berg, stand mit gekreuzten Armen gegen die Wand gelehnt. Joan, in Hosen und grauem Pullover mit einem roten Tüchlein am Hals, hockte auf einer Kiste neben Evelyn, die weiße Shorts und einen weißen Pullover trug. Susy, in einem elfenbeinfarbenen Seidenkleid, saß auf Marian- nas Bett, ihr gegenüber Kit, deren blaues Kleid sich kühl von der grauen Wand abhob.
    Endlich brach Susy das Schweigen. »Aber was habt ihr gegessen, wenn ihr kein Geld hattet?«
    Marianna lächelte schwach. »Manchmal nichts, aber meistens hatten wir Karnickel.«
    »Kaninchen?«
    »Ja. Im Westen gibt es schrecklich viel Kaninchen, und oft werden welche von Autos überfahren. Sie haben rosa Ohren und sind ziemlich zäh, schmecken aber ganz gut. Wenn wir in eine Stadt mit einer Eisenbahnstation kamen, arbeitete ich manchmal im Bahnhofsrestaurant. Manchmal« - sie errötete - »gaben uns die Leute auch Geld. Und einmal blieben wir ’ne Weile in einem Lager. Das war schön.«
    »Wie war es denn im Süden?«
    »Nichts als Wüste. Wir fuhren weiter nach Oklahoma und Missouri - mal mit Privatwagen, mal mit Lastern. Wir schliefen in Scheunen, auf Heuhaufen oder in Gräben. Eine Weile pflückte ich auf einer Farm Äpfel, aber die Arbeit dauerte nicht lange. Dann nahm mich eine Frau auf einem alten Klapperkasten nach Ohio mit.«
    »Warst du denn jetzt wieder allein?« fragte Kit. »Wo war Jimmi geblieben?«
    Marianna zupfte an ihrem Laken. »Er - er wurde angeschossen.« Sie machte eine Pause und fuhr dann fort: »Ja - ich wollte recht schlau sein. Eines Tages kamen wir zu einer Hühnerfarm, und ich dachte, es wär ’ne gute Idee, ein bißchen Geflügel mitzunehmen. Jimmi hatte erst Angst und wollte nicht, aber dann kam er doch mit. Aber die Leute waren auch schlau. Sie hatten am Fenster ein Schießgewehr mit einem Bindfaden festgemacht. Als wir reinklettern wollten, ging ein Schuß los und traf Jimmi. Ich wurde am Fuß getroffen, aber das merkte ich zuerst gar nicht. Ich nahm Jimmi auf den Arm und schleppte ihn fort, damit uns die Blutspur nicht verriet. Wir versteckten uns unter einer Brücke und blieben dort zwei Tage. Dann kamen ein paar Tippelbrüder, die mir halfen. Sie hielten ein Lastauto an und sagten dem Fahrer, er solle Jimmi in ein Krankenhaus bringen. Aber ich durfte nicht mitfahren, weil die Polizei vielleicht hinter mir her war. Ich - hab’ Jimmi nicht wiedergesehn.« Mariannas Stimme zitterte.
    »Reg’ dich nicht auf, Marianna!« sagte Ira beruhigend.
    Sie sah ihn an. »Schon gut! Ich will nicht mehr darüber sprechen. Ja, so war es. Und da hatte ich genug.«
    Die anderen schwiegen erschüttert. Marianna sah Joan und Evelyn an. »Ihr jammert, wenn ihr kein neues Kleid bekommt, wenn ihr Schnupfen habt oder wenn einer euch kränkt.« Mit einer kindlichen Bewegung rieb sie die Wange an ihrem Kopfkissen.
    »Ach, ein Bett!« flüsterte sie selig. »Ein Bett! Für euch ist das gar nichts - aber für mich!« Fast verwundert blickte sie in die Gesichter um sich herum. Dann fuhr sie wie im Selbstgespräch fort: »Ich dachte an die komischsten Dinge, wenn ich so in irgendeinem Wagen über die Straßen fuhr oder nachts im Freien schlief. Ich dachte an Stühle und wie angenehm sie sich dem Rücken anpassen - an Uhren, die in Zimmern ticken - und an Springdale. Ich sah die Wiesen mit ihren Steinmauern vor mir und die Berge mit dem blauen Himmel darüber.«
    Sie lachte. »Früher dachte ich, daß ich das Land hier haßte. Aber dort in der Fremde war es anders. Deshalb wollte ich - nach Hause. Aber ich wollte niemandem zur Last fallen, sondern nur herkommen und euch sehen und dann wieder fortgehen - nach Winslow oder woandershin, um mir Arbeit zu suchen.«
    Susy strich behutsam über die dünnen weißen Hände Mariannas, die unruhig hin- und herfuhren.
    »Keiner sollte wissen, daß ich hier bin. Ich wollte euch nur ein einziges Mal sehen. Ich hab’ durch euer Fenster geguckt, Susy. Ich sah dich und Bill zusammen am Tisch sitzen. Dann schlich ich zum Edgett-Heim. Ich dachte, vielleicht seh’ ich eins von den Mädchen, die ich kenne. Aber ich ging zu nah ran.

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