Sushi Für Anfaenger
hatte sie endlich unter sich begraben.
Ich bin eine Versagerin , gestand sie sich ein. Ich bin eine kolossale Versagerin. Meine Ehe ist kaputt. Es klang verrückt, aber sie hatte nie wirklich geglaubt, dass es passieren würde. Das sah sie jetzt mit schmerzlicher Klarheit. Das war auch der Grund, warum sie sich keinen Anwalt genommen hatte. In der ganzen Trennungsgeschichte mit Oliver hatte sie sich untypisch verhalten: Normalerweise war sie aktiv und dynamisch. Sie erledigte die Dinge, und zwar prompt. Aber diesmal nicht, warum auch immer.
Nun, jetzt würde sie sich einen Anwalt nehmen müssen.
Aber wenn sie die Augen vor den Tatsachen verschlossen hatte, dann hatte Oliver das Gleiche getan, beharrte sie, damit sie nicht allein die... Dumme wäre. Er war im Januar ausgezogen und hatte eine Wohnung, für die er Miete zahlte, während er gleichzeitig seinen Teil der Rückzahlungen für ihre Wohnung leistete. Das war nicht das Verhalten eines Mannes, der alle Bindungen kappen wollte.
Sie sah sich plötzlich, wie sie so auf dem Boden hockte, in all ihrer Jämmerlichkeit. Sie kam sich albern vor, richtete sich auf- und schon war ihre Energie verpufft. Sie schaffte es bis ins Schlafzimmer, fiel dort ins Bett und zog sich die Decke über den Kopf Als sich die Decke weich und warm um sie schmiegte, gab sie ihren Gefühlen nach und weinte - Tränen des Verlusts, des Versagens und - ja, auch! - des Selbstmitleids. Sie hatte ein Recht darauf, sich selbst zu bemitleiden, verdammt noch mal. Wenn man an all die beschissenen Dinge dachte, die ihr passiert waren. Von Jack zurückgewiesen zu werden - obwohl nicht vergleichbar mit dem Schmerz, Oliver zu verlieren - kam noch zu allem hinzu. Und Mercedes - wenn die eine Stelle bei Manhattan hatte, dann, dann... Na, was würde sie dann tun? Absolut gar nichts. Nie war sie sich ihrer eigenen Machtlosigkeit so sehr bewusst gewesen. Und obwohl sie Trix dauernd bei dem Kaufhaus anrufen ließ, waren ihre Holzlamellen-Jalousien immer noch nicht fertig. Wahrscheinlich würden sie nie fertig werden, wenn das so weiterging.
Das war der letzte Strohhalm. Das damenhafte Schluchzen steigerte sich, bis es ein babyhaftes Brüllen war. »... in schlechten wie in guten Zeiten...«
»... Ashling hat einen schlimmen Schock erlebt...«
»... Sie können die Braut jetzt küssen...«
»... sie hat eine Stelle in New York...«
»... die Fabrik ist für die Sommerferien geschlossen...«
Heulend streckte sie die Hand aus und zog einen Karton Papiertaschentücher zu sich ins Bett.
Die Stunden vergingen, und das Licht vor ihrem Schlafzimmerfenster verblasste zu einem schwachen Rosa. Tiefblau zog die Dunkelheit in ihr Zimmer, dann nachtschwarz mit dem violetten Schein der Stadtlichter. Sie erlaubte sich noch einen gelegentlichen Schluchzer, als die Morgendämmerung mit einem Perlgrau aufzog. Das wich langsam dem klaren, harten Blau eines Septembermorgens. Draußen waren Geräusche zu hören, die zum Tagesbeginn gehörten, aber Lisa zog es vor, da zu bleiben, wo sie war, besten Dank.
Irgendwann - vielleicht war es Nachmittag - wurde ihre wattegleiche Wirklichkeit durchbrochen. Ein Geräusch auf dem Flur, Schritte, und dann schrak sie hoch, als Kathy ihren geschredderten weizenblonden Kopf durch die Tür steckte.
»Was machen Sie hier?« Lisa sah sie aus rotgeränderten Augen an.
»Es ist Samstag«, sagte Kathy. »Ich putze samstags immer bei Ihnen.«
Die zerknüllten Papiertücher auf der Bettdecke, der deutliche Dunsthauch tiefer Niedergeschlagenheit und die Tatsache, dass Lisa voll bekleidet im Bett lag, versetzten Kathy in große Sorge. »Ist alles in Ordnung?«
»Ja.«
Offensichtlich glaubte Kathy ihr nicht. Dann kam Lisa in ihrem Trübsinn eine Idee: »Ich habe die Grippe.«
Sofort war Kathy voller Mitleid. Sollte sie Lisa ein Glas Sprite ohne Kohlensäure bringen, eine heiße Zitrone mit Honig, einen heißen Whisky?
Lisa schüttelte den Kopf und starrte wieder ins Nichts. Eine anstrengende Tätigkeit.
Grippe? fragte Kathy sich. Sie hatte von niemandem sonst gehört, der die Grippe hatte. Aber eigentlich kein Wunder, dass Lisa sich was eingefangen hatte, so wie sie lebte, nämlich in einem Saustall. Kathy fing in der Küche mit ihrer Putzaktion an; sie wischte die klebrigen Flächen sauber - wie schaffte Lisa das nur? - und legte ein Papier zur Seite. Natürlich warf sie einen Blick darauf - sie war schließlich keine Heilige! - und im selben Moment war ihr alles klar. Grippe? Lisa hatte
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