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Sushi Für Anfaenger

Sushi Für Anfaenger

Titel: Sushi Für Anfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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wieder zur Arbeit kamen. Aber sie hatte solche Nervenkrisen immer mit perverser Neugier betrachtet und vermutet, dass darin ein Trost lag. Müsste es nicht ein herrlich befreiendes Gefühl sein, völlig hilflos zu sein und keine Wahl zu haben, als sich der Führung anderer zu überlassen?
    Nun, anscheinend nicht, denn jetzt erlebte sie, dass sie sich nicht richtig in der Gewalt hatte, und fand es abscheulich.
    Sie sollte zur Arbeit gehen. Man brauchte sie dort. Die Belegschaft von Colleen war zu klein, um ein Fehlen von Mitarbeitern zu verkraften, und jetzt war auch Mercedes gegangen und Ashling nicht einsatzfähig. Aber sie konnte sich nicht aufraffen; sie schaffte es einfach nicht. Ihr Körper war zu schwer, ihre Gedanken waren zu schwermütig.
    Irgendwann registrierte sie das Bedürfnis, aufs Klo zu gehen. Sie widerstand und tat so, als spürte sie nichts, aber schließlich war der Drang so groß, dass sie gehen musste. Als sie auf dem Rückweg an der Küche vorbeikam, fiel ihr Blick auf die Scheidungsklage auf der Theke. Sie hatte sie seit Freitag nicht angesehen, sie wollte nie wieder einen Blick darauf werfen, und doch wusste sie, dass ihr keine Wahl blieb.
    Sie nahm sie mit ins Bett und zwang sich dazu, sie zu lesen. Sie sollte Oliver hassen. Diese Unverschämtheit, sich von ihr scheiden zu lassen! Aber was erwartete sie denn? Ihre Ehe war kaputt, »unwiderruflich zerrüttet«, wenn man das technisch ausdrücken wollte, und das wollte er ja, wie ihr bekannt war.
    Die Sprache auf der Scheidungsklage war hochtrabend und unverständlich. Wieder wurde ihr bewusst, wie dringend sie einen Anwalt brauchte und wie beängstigend ahnungslos sie in diesen Dingen war. Sie überflog die Seiten und gab sich Mühe zu verstehen, und das Erste, was sie verstand, war Olivers Antrag auf Scheidung wegen ihres »unzumutbaren Benehmens«. Die Worte sprangen sie an und taten ihr weh. Es war nicht ihre Schuld, dass ihre Ehe zerrüttet war, dachte sie böse. Sie wollten einfach unterschiedliche Dinge. Dieser Dreckskerl! Sie konnte ihm auch ein paar Beispiele unzumutbaren Benehmens an den Kopf werfen, wenn sie sich bemühte. Sie barfuß und schwanger in der Küche anketten zu wollen - wenn das nicht unzumutbar war!
    Aber ihr Zorn ließ nach, als ihr einfiel, dass der Vorwurf des »unzumutbaren Benehmens« eine reine Formsache war. Das hatte er ihr bei seinem Besuch in Dublin erklärt - sie mussten dem Gericht einen Grund angeben; genauso gut hätten sie es auch anders herum machen können.
    Als sie weiterlas, kam sie zu den fünf Beispielen, so wie er es gesagt hatte. Dass sie neun Wochenenden hintereinander gearbeitet hatte. Dass sie den dreißigsten Hochzeitstag seiner Eltern aufgrund ihrer Arbeitsverpflichtungen nicht beachtet hatte. Dass sie ihren Urlaub auf Santa Lucia in letzter Minute storniert hatte, weil sie arbeiten musste. Dass sie vorgetäuscht hatte, ein Kind zu wollen. Dass sie zu viele Anziehsachen hatte. Jedes Beispiel traf sie wie ein spitzes Messer. Abgesehen von dem Vorwurf mit den Kleidern. Vermutlich war ihm bei Punkt fünf nichts Gutes mehr eingefallen.
    Die Kosten würden sie teilen, und beide verzichteten auf Unterhaltsforderungen.
    Anscheinend musste sie ein Blatt unterschreiben, auf dem sie den Erhalt der Klage bestätigte, und an Olivers Anwalt zurückschicken. Aber sie würde nichts unterschreiben. Und nicht nur, weil sie nicht willens war, einen Stift in die Hand zu nehmen. Ihr Selbsterhaltungstrieb ging sehr tief.
    Es klopfte an der Tür. Das entlockte ihr ein stummes Lächeln. Der Gedanke, dass sie aus dem Bett steigen könnte, war so unvorstellbar, dass er schon komisch war. Es klopfte wieder. Ihr war das vollkommen gleichgültig. Ausgeschlossen, dass sie zur Tür gehen würde. Stimmen vor der Tür. Wieder Klopfen - eher ein durchdringendes Hämmern. Dann ein Quietschen, als der Briefschlitzdeckel angehoben wurde.
    »Lisa?«, fragte eine Stimme.
    Sie nahm sie kaum wahr.
    »Lisa«, rief die Stimme wieder.
    Es war überhaupt kein Problem, das Rufen zu überhören.
    »Liiiisaaaa«, donnerte die Stimme. Jetzt erkannte sie sie. Es war Beck. Also, das war nicht sein richtiger Name, aber er war einer der kleinen Manchester-United-Fans, der in der Straße wohnte. Der mit der extrem lauten Stimme.
    »Ich weiß, dass du zu Hause bist. Ich schwänze heute auch. Hier ist ein riesiges Paket mit Blumen. Willst du sie haben?«
    »Nein«, rief Lisa schwach.
    »WAS?«
    »Nein.«
    »Ich höre nichts. Hast du ja

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