Sushi Für Anfaenger
Ich bin zu deprimiert.«
»Ach wo!« Er klang verärgert, griff zum Telefon und führte ein Gespräch, dann noch eins. Er legte die Hand auf die Sprechmuschel und fragte: »Wann kommen Sie am Dienstag von der Arbeit?«
»Es kommt drauf an ...«
»Fünf?« Er war gereizt. »Sechs?«
»Sechs.« Wenn sie Glück hatte.
Er legte auf und gab ihr einen Zettel. »Jeden Dienstag um sechs. Wenn Sie nicht hingehen, gibt es kein Prozac mehr.« Der gemeine Kerl!
Als sie lustlos durch Temple Bar zurückging, hörte sie jemanden rufen: »He, Ashling!« Ein junger, modegeiler Mann in total lächerlichen Schuhen klapperte hinter ihr her, und sie brauchte einen Moment, um Boo zu erkennen. Sein Haar glänzte, sein Gesicht hatte Farbe, und mit einem Mal lachte sie. »Sieh dich an«, sagte sie.
»Ich gehe zur Arbeit. Ich bin in der Schicht von zwei bis zehn.« Dann krümmte er sich vor Lachen. »Kannst du es glauben, dass ich das gerade gesagt habe?«
Er bedankte sich lange und ausführlich. »Es ist toll beim Sender. Ich habe einen Vorschuss auf mein Gehalt bekommen und kann jetzt in einer Unterkunft wohnen.«
»Und ist die Arbeit auch nicht zu schwierig?« Ashling hatte sich Sorgen gemacht, dass Boo sich nach einem Leben ohne Zwänge nicht an die Arbeitswelt mit ihrer Disziplin und Verantwortung gewöhnen könnte.
Boo sagte wegwerfend: »Als Laufbursche? Nichts ist leichter.«
»Scharfe Klamotten«, sagte Ashling mit einem Blick auf das verrückt geschnittene Jackett, das knallbunte Hemd und die sehr merkwürdigen Schuhe. Sie sahen aus wie Raumschiff Enterprise hoch zwei.
»Ich sehe irre aus.« Boo lachte wieder. »Die Schuhe sind am schlimmsten. Kelvin bei euch in der Redaktion hat mir diese ganzen abgedrehten Sachen gegeben, die er nicht wollte, aber wenigstens sind sie sauber, und ich kann mir normale Sachen kaufen, wenn ich mein Gehalt bekomme. Warte mal! Ich sage das eben noch mal.«
Er schmatzte mit den Lippen und sagte genussvoll: »Wenn ich mein Gehalt bekomme.«
Seine Freude war ansteckend. »Ich freue mich, dass alles so gut für dich geklappt hat«, sagte Ashling aufrichtig.
»Ja, und wem habe ich dafür zu danken, wenn nicht dir?« Boo zeigte sein zahnlückiges Grinsen. Kelvin hatte ihm offenbar noch keinen neuen Zahn verschaffen können. »Und Jack. Er ist super.«
Boo sah sie an und wartete auf ihre Zustimmung.
»Das stimmt.« Aber sie war verwirrt. Seit wann war Jack Devine so freundlich?
»Hast du gehört, dass ich dachte, ich sollte für euch Buchbesprechungen schreiben?«, erzählte Boo.
»Eh...«
»Ich hab das alles falsch verstanden. Und jetzt will ich keine Bücher mehr besprechen.«
»Aha?«
»Ich will Kameramann werden. Oder Tontechniker. Oder Nachrichtensprecher!«
Als Ashling ins Büro kam, musste sie allen Mut zusammennehmen und Lisa erklären, dass sie dienstags früher gehen müsste. »Der Arzt gibt mir kein Prozac mehr, wenn ich nicht zu einer Beratung gehe.«
Lisa war offensichtlich verärgert. »Ich muss das mit Jack klären, und du wirst früher kommen müssen, um die Zeit wieder reinzuholen«, sagte sie gereizt.
Doch dann verflog ihre Gereiztheit. Ashling war gar nicht so übel.
Und Lisa konnte es sich leisten, rücksichtsvoll zu sein. Wenigstens muss ich nicht zu einer Beratung , dachte sie selbstzufrieden. Und Prozac brauche ich auch nicht zu nehmen.
61
Eines Samstagabends, ungefähr einen Monat nach dem großen Zusammenbruch, hatte Ted eine Comedy-Show. Marcus sollte auch auftreten.
»Ich hoffe, es macht dir nichts aus«, sagte Ashling mit tonnenschwerer Fröhlichkeit, »wenn ich nicht mitkomme, um dich zu unterstützen.«
»Kein Problem, kein Thema, wirklich nicht! Keiner würde das von dir erwarten.«
»Aber irgendwann musst du wieder anfangen auszugehen«, bedrängte Joy sie.
Ashling schüttelte sich. Allein der Gedanke!
»Es gibt keine Fremden«, sagte Ted schmeichlerisch, »nur Freunde, denen du noch nicht begegnet bist.«
»Oder noch besser«, sagte Joy, »es gibt keine Fremden, nur Liebhaber, denen du noch nicht begegnet bist.«
Mürrisch sagte Ashling: »Es gibt keine Fremden, nur Ex-Liebhaber, denen ich noch nicht begegnet bin.«
Ihre Anspannung war noch nicht gewichen, als sie Ted am Sonntagnachmittag sah. Sie bemühte sich sehr, sich die Frage zu verkneifen, aber am Schluss konnte sie nicht anders.
»Es tut mir Leid, Ted, aber war er da?«
Als Ted nickte, fragte Ashling in noch bedrückterem Ton: »Hat er nach mir gefragt?«
»Ich habe nicht mit ihm
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