Sushi Für Anfaenger
auch, weü allein ihre Anwesenheit Clodagh das schreckliche Gefühl gab, eine ausbeuterische Mittelschichtsfrau zu sein. Sie war jung und körperlich fit - das Haus von einer achtundfünfzig Jahre alten Frau mit Unterleibsproblemen putzen zu lassen war unentschuldbar.
Anfangs hatte sie versucht, dazubleiben, während Flor putzte, aber sie kam sich wie eine Ausgestoßene im eigenen Haus vor. In welches Zimmer sie auch ging, ihr schien, als würde Flor ihr jedesmal Sekunden später mit Staubsauger und Krampfadern folgen, und sie müsste sich sprachlos und stumm in die Ecke drücken.
»Ah ...«, sagte sie dann mit einem unsicheren Lächeln. »Ich bin schon, eh, bin gleich weg.«
»Lassen Sie mal«, sagte Flor dann, »Sie stören mich nicht.«
Nur ein einziges Mal hatte Clodagh Flor beim Wort genommen und war sitzen geblieben und hatte, während Flor mit dem Staubsauger um sie herum saugte, ein paar Zeitschriften durchgeblättert.
Flor verlangte fünf Pfund pro Stunde. Aus Schuldgefühlen gab Clodagh ihr sechs.
Clodagh wollte Flor am liebsten gar nicht begegnen und setzte alles daran, das Haus zu verlassen, bevor Flor kam.
»Molly«, brüllte sie und raste die Treppe runter. »Beeil dich!«
In der Küche warf sie einen Blick auf die Uhr und nahm den Packen mit den Tapetenmustern. Auf die Rückseite des untersten kritzelte sie eine Notiz für Flor. Mit wenigen Strichen zeichnete sie einen Staubsauger - ein hochkant stehendes Viereck mit einer sich schlängelnden Schnur. Dann malte sie ein paar Kästchen und darüber Regentropfen. Dann malte sie zwei Pfeile einen, der auf den Stapel Hemden auf dem Küchentisch zeigte, und einen, der auf das Staubtuch und die Möbelpolitur wies.
Flor würde also wissen, was Clodagh ihr auftrug: Sie sollte Staub saugen, die Küche wischen, die Wäsche bügeln, Staub wischen und die Möbel polieren.
Sonst noch was? Clodagh überlegte blitzschnell. Der Kater von nebenan, das war noch wichtig. Sie wollte nicht, dass Flor ihn ins Haus ließ, wie sie es in der Woche davor gemacht hatte. Tiddles Brady hatte sich so wohl gefühlt, dass er sich praktisch vor dem Fernseher räkelte, mit der Fernbedienung in der Pfote. Und als Molly und Craig ihn sahen, verliebten sie sich auf der Stelle in ihn und brüllten laut, als der Kater des Hauses verwiesen wurde. Also zeichnete Clodagh einen kleinen Kreis für den Kopf auf einem großen Kreis für den Körper und vervollständigte das Gemälde mit Ohren und Schnurrbarthaaren.
»Hol mir mal einen von deinen roten Malstiften«, sagte sie zu Molly.
Molly ging gehorsam los und kam mit einem stumpfen gelben Buntstift und einer Banane-im-Schlafrock wieder.
»Ach, ich hol ihn mir selbst. Wenn man hier was will, muss man es selbst machen.«
Clodagh murmelte vor sich hin und wühlte ärgerlich im Buntstiftkasten. Dann machte sie mit einer gewissen Genugtuung ein dickes rotes Kreuz durch die Katze. Das musste Flor doch verstehen, oder?
Nachdem Clodagh mit dem Malen fertig war, seufzte sie. Wie viel einfacher wäre es doch, wenn sie eine Putzfrau hätte, die lesen könnte!
Es hatte Wochen gedauert, bis ihr aufgefallen war, dass Flor nicht lesen konnte. Am Anfang hatte sie alle möglichen komplizierten Anweisungen für Flor aufgeschrieben und sie gebeten, bestimmte Dinge zu tun, zum Beispiel die Wäsche aus der Maschine zu nehmen, wenn der Waschvorgang beendet war, oder die Tiefkühltruhe abzutauen.
Flor erledigte die Aufträge nie, und obwohl Clodagh nachts wachlag und vor Wut nicht schlafen konnte, traute sie sich nicht, Flor zur Rede zu stellen. Trotz dieser Probleme wollte sie ihre Putzfrau nicht verlieren. Putzfrauen waren seltene Perlen, auch die schlechten.
Abgesehen davon bezweifelte Clodagh, dass sie sich in einer solchen Situation Respekt verschaffen könnte. Sie stellte sich vor, wie sie Flor mit einer Stimme, der jede Überzeugungskraft abging, zurechtwies: »Also bitte, Flor, so geht das wirklich nicht.«
Schließlich zwang sie Dylan eines Morgens, zu spät zur Arbeit zu kommen und mit Flor zu reden. Und natürlich gestand Flor Dylan, der das Einfühlungsvermögen in Person war, ihr Problem.
Dylan verstand es, mit Menschen umzugehen, und so schlug er die Lösung vor, wonach Clodagh ihre Anweisungen für Flor zeichnete.
Bei all den Schuldgefühlen und den Zeichnungen schien es fast leichter, die Hausarbeit selbst zu machen. Aber nur fast. Trotz der schwierigen Umstände genoss Clodagh den einen Morgen in der Woche, in der jeder Druck von
Weitere Kostenlose Bücher