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Suter, Martin

Suter, Martin

Titel: Suter, Martin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allmen und die Libellen
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mitgehen lassen, bekam ich einen Anruf von Jack Tanner, den
Sie auch kennen. Kannten, muss ich leider sagen. Er erzählte, dass er etwas
Sensationelles für mich habe, und ich bat ihn, vorbeizukommen. Es handelte sich
um meine Libellenschale. Tanner wusste, dass sie aus dem Langturmdiebstahl
stammte und nicht handelbar war. Außer in Kreisen von fanatischen Sammlern wie
mir.«
    Jack Tanner also. Dass er nicht früher darauf gekommen
war. »Aber weshalb haben Sie das Stück zurückgekauft? Wo doch die Liebe
erkaltet war?«
    »Wenn ich es nicht getan hätte, wäre Tanner damit weiter
hausieren gegangen und hätte schlafende Hunde geweckt. Das waren mir die
Neunzigtausend wert.«
    Etwas an Allmens Gesichtsausdruck ließ Hirt hinzufügen:
»Was hat er Ihnen bezahlt? Vierzig?«
    »Fünfzig.«
    »Sehr fair, doch. Ich habe ihm also das Stück abgekauft.
Unter einer Bedingung. Er musste mir verraten, woher er es hatte. Dabei fiel
dann Ihr Name.«
    Allmen spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. Er
versuchte es mit einem Schluck aus dem Schwenker zu überspielen. »Das heißt,
bei meinem zweiten Besuch wussten Sie...«
    »Klar. Ich war in der Nacht auch hier und stellte fest,
dass diesmal alle fünf fehlten.«
    »Und trotzdem ließen Sie mich unbehelligt gehen?«
    »Ich war froh, dass ich das Zeug los war. Auf Ihr Wohl.«
    Er hob seinen Schwenker in Allmens Richtung, doch der
beließ es bei einem Nicken und fragte: »Und wer will mich umbringen?«
    »Jetzt kommt der unangenehme Teil der Geschichte.« Er
nahm die Zigarre vom Aschenbecher, stellte fest, dass sie erkaltet war, wählte
eine neue aus dem Humidor und setzte sie mit beiläufiger Routine in Brand.
    »Nachdem Tanner mir Ihre Beute verkauft hatte, habe ich
Werenbusch angerufen und ihm von der Sache erzählt. Ich wollte, dass er wusste,
dass es jetzt zwei Mitwisser gab. Zwei Leute, die wissen, dass mindestens eines
der Stücke bei mir ist. Ich fand das fair. Jetzt weiß ich, dass es ein Fehler
war.«
    Allmen lief es kalt den Rücken hinunter. »Sie glauben,
Terry... ?«
    »Wer sonst? Terry muss um jeden Preis verhindern, dass
herauskommt, dass die Werenbuschs selbst hinter dem Raub ihrer Leihgaben
stecken. Es würde sie ruinieren. Kein Zweifel: Terry steckt hinter dem Mord an
dem armen Tanner und dem Mordversuch an Ihnen.«
    Allmen streckte die Hand nach dem Schwenker aus, merkte,
dass sie zitterte, und zog sie zurück. »Und weshalb erzählen Sie mir das
alles?«
    »Ich bin« - Hirt korrigierte sich - »ich war ein
fanatischer Kunstsammler, der für seine Leidenschaft manchmal weiter ging, als
es das Gesetz erlaubt. Aber mit Mord will ich nichts zu tun haben.«
    Die Spots, die den Tisch zwischen ihnen erleuchtet
hatten, gingen aus und die Beleuchtung der Vitrinen an. Die beiden Männer
konnten sich wieder besser erkennen.
    »Machen Sie mit diesen Informationen, was Sie wollen.
Nehmen Sie keine Rücksicht auf mich, ich bin ein toter Mann.«
    »Wie soll ich das verstehen?«
    »Ich will Ihnen die Fachausdrücke der Diagnose ersparen.
Aber so viel kann ich Ihnen verraten: Wenn es nach mir geht, erlebe ich die
nächste Woche nicht mehr. Und es geht nach mir, dafür habe ich gesorgt. Keine
Hosenträgerschnalle wird mich retten.«
    Der alte Mann lachte auf, und sein Lachen ging in einen
Hustenanfall über. Allmen wartete, bis er vorbei war.
    »Ich weiß, Sie nehmen lieber den Ausgang durchs Bad, aber
den habe ich jetzt zuschrauben lassen. Meine Tochter ist in diesen Dingen zu
nachlässig.« Hirt drückte auf die Fernbedienung, und die Tür, durch die Allmen
hereingekommen war, öffnete sich mit einem Summen.
    Allmen ging auf sie zu, blieb stehen und kehrte noch
einmal zu dem alten Mann zurück: »Wo lebt Terry heute?«
    »Noch immer auf dem Familiensitz am Bodensee. Dem kleinen
Jagdschlösschen, das der Vater während des Krieges gekauft hatte. Der lebt übrigens
auch immer noch dort, der alte Werenbusch. Blind und taub und böse.«
    Allmen drückte dem kranken Mann die hagere Hand. »Danke.«
    Auf dem Korridor kam ihm Boris entgegen. Klaus Hirt musste
ihn elektronisch informiert haben, dass sein Gast sich verabschieden wolle.
    Draußen lag Schnee. Der schwarze Fleetwood war weiß
geworden. Jetzt fegten die Scheibenwischer ihre Halbkreise auf die
Frontscheibe, und der Wagen fuhr vor.
    Als Allmen in den Rücksitz sank, sah er Herrn Arnolds
besorgten Blick im Rückspiegel. »Alles in Ordnung?«
    »Alles.«
     
    Auf der Rückfahrt gerieten sie in den

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