Suter, Martin
und es war spät, als Allmen
seinen neuen Verbündeten zum Ausgang begleitete.
Es war noch kälter geworden und schneite immer noch. Ein
Räumfahrzeug mit zuckendem Warnlicht lärmte vorbei.
Beim Abschied sagte Allmen: »Jetzt ist der Moment
gekommen, wo ich die Libellenschalen brauche, Carlos.«
»Como no, Don John. Dann hole ich sie.«
Allmen hatte die weinrote Lederbank wie immer für sich
alleine. Carlos hatte darauf bestanden, vorne neben Herrn Arnold zu sitzen.
Diesmal verzichtete der Fahrer auf Glenn Miller. Es lief ein Radiosender mit
einer seichten Mischung aus Schlagern, Pop, Volksmusik und
Wunschkonzertklassik. Herr Arnold hatte sich dafür entschuldigt. Wegen der
Verkehrsmeldungen, hatte er erklärt.
Die Straßenverhältnisse waren tatsächlich prekär. Es hatte
nicht aufgehört zu schneien, und je weiter sie sich aus der Stadt entfernten,
desto mehr Schnee blieb liegen.
Im Moment umfuhren sie einen Stau auf der Autobahn, auf den
Herr Arnold dank Volksmusik und Verkehrsmeldung rechtzeitig aufmerksam geworden
war. Sie fuhren langsam auf einer schmalen Kantonsstraße durch die weiße
Landschaft. Die Obstbäume, deren Blätter zu dieser Jahreszeit noch nicht
gefallen waren, trugen schwer an ihrer Schneelast. Die Sicht war schlecht. Die
Scheinwerfer der entgegenkommenden Fahrzeuge warfen Lichthöfe in das Gemisch
aus Schnee und Nebel. Die drei Männer sprachen kaum und starrten angestrengt in
die Winterlandschaft hinaus, als ob jeder von ihnen am Steuer säße.
Carlos hatte noch in der Nacht Adresse und Lageplan des
Familiensitzes der Werenbuschs ausfindig gemacht und ausgedruckt. Er hatte
auch den Namen Terry Werenbusch in seine Suchmaschinen eingegeben und
herausgefunden, dass dieser geschäftsführender Gesellschafter einer Firma weren-invest war.
Allmen hatte kurz nach Arbeitsbeginn angerufen und Herrn
Werenbusch verlangt.
Er sei noch nicht im Hause, hatte man ihn wissen lassen,
worum es sich denn handle.
Um etwas Persönliches, hatte Allmen erklärt. Sie hätten
zusammen das Charterhouse besucht, und er komme heute zufällig in die Gegend
und habe etwas dabei, das Herrn Werenbusch interessieren dürfte.
Er hinterließ seinen Namen und seine Handynummer. Es
dauerte keine zehn Minuten, bis Werenbusch zurückrief.
»Vonallmen?« Er betonte den Namen auf dem »von«, als wäre
es nicht mehr als eine erste Silbe. »Vonallmen? Was verschafft mir das
Vergnügen? Nach all den Jahren.« Die Fröhlichkeit klang gespielt, dahinter war
großes Misstrauen zu spüren.
»Ich weiß nicht, ob es ein Vergnügen ist. Aber interessant
wird es bestimmt.«
Sie hatten sich auf den frühen Nachmittag im Büro
verabredet.
Die Straße zum Jagdschlösschen war nicht geräumt. Herr
Arnold versuchte den schlingernden Fleetwood in den bereits wieder
verschwindenden Spuren zu halten, die andere Autos hinterlassen hatten. Sie
fuhren an ein paar Höfen vorbei, sonst kam ihnen die Gegend verlassen vor.
Das Sträßchen führte in einen Wald. Ein paar Waldarbeiter
unterbrachen ihre Arbeit und blickten dem aufsehenerregenden Fahrzeug nach.
Am Waldrand gabelte sich der Weg. Alle Reifenspuren bogen
nach links ab, geradeaus verlor sich die Straße im unbestimmten Weiß. Irgendwo
dort vorne musste das Seeufer sein.
Herr Arnold fuhr ebenfalls nach links, und bald war das
Schlösschen zu sehen, ein großer Fachwerkbau mit ein paar Türmchen. Sie fuhren
vor.
Es dauerte lange, bis jemand auf Allmens Klingeln
reagierte. Es war eine junge Frau in weißer Hose und Blouson, wie sie das
Pflegepersonal in Krankenhäusern trägt. Sie öffnete die Tür mit den Worten: »Es
ist niemand da.«
»Guten Tag, mein Name ist Allmen, ich habe einen Termin
mit Herrn Werenbusch.«
»Herr Werenbusch junior ist im Büro. Und die Haushälterin
beim Einkaufen.«
»Dann wird er bestimmt gleich kommen. Dürfen wir so lange
warten?« Die Pflegerin zögerte.
»Ich bin ein Schulfreund von Terry Werenbusch«, sagte Allmen
aufmunternd.
Allmens Auftreten und der Cadillac mit Chauffeur, der
draußen wartete, schienen vertrauenerweckend zu sein. Sie öffnete die Tür ganz
und ließ sie ein.
Sie betraten eine Halle voller Jagdtrophäen. Auf beiden
Seiten führten Treppen in die oberen Stockwerke.
Die Pflegerin nahm ihnen die Mäntel ab, Allmen stellte
Carlos vor. »Herr de Leon, mein Assistent.«
Carlos stellte den Pilotenkoffer ab und gab ihr die Hand.
»Erika Hadorn, ich kümmere mich um Herrn Werenbusch
senior.«
Sie führte sie in einen
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