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Suter, Martin

Suter, Martin

Titel: Suter, Martin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allmen und die Libellen
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von Tanner. Und den wollte man ihm nicht anbieten.
    Er ging an seinen Tisch zurück, trank seine zweite Tasse
Kaffee, aß sein zweites Croissant, signierte die Rechnung, steckte Gianfranco
das Trinkgeld zu, ließ sich von ihm in den Mantel helfen und an die Tür
begleiten. Alles, als sei ausgeschlossen, dass es das letzte Mal in seinem
Leben gewesen sein könnte.
     
    Die Heizung im Fleetwood roch ein wenig nach Motor. Aber
es war warm und gemütlich auf der weinroten Lederbank. Schwarze Wolken ließen
ihre Schleppen dicht über den See hängen. »Es wird Schnee geben«, hatte der
wortkarge Herr Arnold vorausgesagt.
    Er hatte sich bereit erklärt, vor der Villa auf Allmens
Rückkehr zu warten. Und er hatte, wie immer für Allmen, das Taxischild
abmontiert.
    Aus der Anlage klang Glenn Miller, Herrn Arnolds
Lieblingsmusik. Jedes Mal, bevor er die Kassette einlegte - der Fleetwood
verfügte noch nicht über einen cd -Player -,
fragte er Allmen, ob es ihn nicht störe. Und jedes Mal versicherte ihm dieser,
dass Glenn Miller auch für ihn einer der Größten sei.
    »Den, der in seinem Geschäft erschossen wurde, habe ich
gekannt«, bemerkte Allmen.
    »Schon verrückt«, antwortete Herr Arnold. »Da denkt man,
Taxifahren sei gefährlich. Aber sicher ist man nirgends mehr.«
    »Nirgends«, bestätigte Allmen.
    Herrn Arnolds Wetterprognose bewahrheitete sich. Mit einem
Mal wirbelten feine Flöckchen vor der Windschutzscheibe und zwangen ihn, die
Scheibenwischer einzuschalten, von denen immer noch einer stotterte. Als sie
vor dem Tor der See-Villa ankamen, waren die Flocken schwer und groß geworden.
    Arnold stieg aus und klingelte. Es dauerte lange, bis sich
das Tor ruckartig in Bewegung setzte. Als Herr Arnold wieder einstieg, lag
Schnee auf seinem schütteren Haar und seinen runden Schultern.
    Er fuhr den Cadillac gemessen in die Einfahrt und ließ es
sich nicht nehmen, Allmen die Tür zu öffnen und ihn mit seinem Schirm zur
Haustür zu begleiten.
    Sie warteten wortlos, bis sich im Innern etwas regte und
eine Gestalt die Windfangtür öffnete. Es war Boris, der Chauffeur.
    Bevor er das Haus betrat, warf Allmen Herrn Arnold einen
flehenden Blick zu.
    »Ich warte«, sagte der.
     
    Boris begrüßte ihn kühl und führte ihn durch die Halle zum
Lift. Er war fast einen Kopf größer als Allmen und starrte während der kurzen
Fahrt stumm auf ihn herunter.
    Allmen folgte ihm durch den Korridor, vorbei an Jojos
Schlafzimmer zu einer Tür, die mit einem Lesegerät für Chips ausgerüstet war.
Boris zog ein Badge aus der Tasche und scannte es ein.
    Die Tür öffnete sich nicht. Aber eine Stimme, die aus
einem in der Decke verborgenen Lautsprecher kam, fragte: »Boris?«
    »Herr von Allmen ist eingetroffen.«
    Jetzt erst öffnete sich die Tür mit einem leisen Summen.
Sie traten ein und befanden sich in dem Raum mit den Vitrinen.
    »Danke, Boris«, sagte die belegte Stimme von Klaus Hirt.
Boris warf einen letzten herablassenden Blick auf Allmen und verließ den Raum.
    »Treten Sie ruhig näher, Sie kennen sich ja aus.«
    Allmen ging vorbei an den Vitrinen, die ihm die Sicht auf
das Zentrum des Raumes verstellten.
    Die Jalousien waren geschlossen. Hirt saß im spärlichen
Licht der Vitrinen auf dem Ledersessel hinter dem Glastisch. Eine feine
Rauchsäule stieg von der Zigarre im Aschenbecher auf und vermischte sich mit
dem Nebel, der da und dort im Licht der Vitrinen sichtbar wurde.
    Der alte Mann trug eine ausgebeulte fusselnde Wolljacke
und Hausschuhe. Vor seiner Brust hing eine Brille an einem Band. Eine zweite
hatte er weit über die Stirn hinter den hohen Haaransatz geschoben.
    Er deutete auf den Stuhl gegenüber, den er für diese
Gelegenheit hatte hinstellen lassen. Allmen setzte sich.
    Auf dem Tisch standen ein kleiner Humidor, eine Flasche
Armagnac, zwei Schwenker, einer fast leer und einer sauber. Hirt richtete sich
ächzend ein wenig im Sessel auf und schenkte beiden ein. Das unbenutzte Glas
schob er zu Allmen hinüber.
    Danach klappte er den Deckel des Humidors auf und bot ihn
seinem Gast an. Allmen lehnte ab.
    Klaus Hirt ließ sich wieder zurücksinken. »Nun?«
    »Zuerst will ich etwas vorausschicken.«
    »Schicken Sie.«
    »Mein persönlicher Assistent...« Hirts amüsiertes Lächeln
über diese Bezeichnung von Carlos brachte Allmen kurz aus dem Konzept. Aber mit
fester Stimme wiederholte er: »Mein persönlicher Assistent weiß, wo
ich mich befinde, und kennt den Zweck meines Besuches. Er hat Anweisung, die

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