Svantevit - historischer Roman (German Edition)
kurz mit aller Kraft gegen den Boden und schon brachen die Bretter krachend und splitternd. Der Zweite tat nun, was sie offensichtlich etliche Male geübt hatten, so routiniert und bedächtig lief alles ab. Er steckte kurze, stabile Holzknüppel, in deren Mitte ebenfalls Leinen befestigt waren, durch die entstandenen Lücken in den Torflügeln und verkeilte sie durch querdrehen auf der anderen Seite. Alles ging so schnell, dass die Verteidiger die Gefahr erst erkannten, als es schon längst zu spät war und als sie jetzt noch einzugreifen versuchten, indem sie zum Tor eilten und mit ihren kurzen Schwertern auf die Seile hieben und sie zu zerschneiden suchten, knirschten und knackten die Torbalken erst in allen Fugen, um plötzlich mit unglaublichem Getöse in zahllose Einzelteile zu zerbersten.
Sofort machten die abgestiegenen Kämpfer ihren zu Pferde nachdrängenden Mitstreitern Platz und die Ranen, welche sich nicht schnell, durch einen Sprung zur Seite oder auf den Palisadengang, zu retten vermochten, wurden einfach, ohne die geringste Chance auf eine Gegenwehr über den Haufen geritten. Der als erstes durchgestoßene Graf von Waldeck wurde von einer Hand voll Kriegern eingekreist und mit Schwertern und Äxten bedrängt. Er ließ seinen riesigen Kaltblüter, der schon allein im Widerrist seine Angreifer überragte, sich im Kreis drehen und so die Gegner auf Distanz halten. Schließlich ließ er ihn steigen und eine Kapriole vollführen. Dazu sprang das Pferd mit allen vier Beinen vom Boden ab und schlug in der Luft aus. Diejenigen Slawen, welche nicht niedergetrampelt oder umgerissen wurden, ließen sofort von dem monströsen Ungetier ab und versuchten ihr Heil in der Flucht. Letztendlich entkam aber niemand der gut zwei Dutzend einheimischen Krieger, die den Zugang zu schützen suchten, den wuchtigen, erbarmungslosen Schwerthieben und Lanzenstößen der Deutschen.
Auch der noch in sicherer Entfernung zum Befestigungsring wartende Rest der Deutschen kam augenblicklich herbeigesprengt, sowie die Bresche in die Verschanzung geschlagen war. Alle waren darauf gefasst, im Inneren der Siedlung auf eine große Anzahl bewaffneter Feinde zu treffen, mit denen sie es für die winkende Beute jetzt Mann gegen Mann gerne aufnehmen wollten. Doch die Verblüffung war groß, als sie hinter dem Verteidigungswall, außer den wenigen Kriegern, die sie von der hölzernen Pfahlmauer herab attackiert hatten, nur auf augenscheinlich verlassene Holzhütten stießen. Keine Menschenseele war zu sehen, kein Laut zu vernehmen, als sie sich auf der großen Wiese hinter dem Tor, in Erwartung eines Angriffs formierten. Ratlos schauten die Männer von ihren Pferden aus in die Gegend. Sollte es zu guter Letzt doch noch so einfach sein? Keiner traute sich aber anscheinend, den ersten Schritt zu wagen. Zu sehr hatte die böse Überraschung von vorhin das Misstrauen geschürt. Das Ziel ihres gewagten Vorhabens, die Schuppen und Bretterverschläge der Kaufleute und Händler, lagen zum Greifen nahe vor ihnen, aber alle hatten Angst, sich abermals die Finger zu verbrennen, wenn sie erneut allzu vorwitzig und habgierig ihre Hände danach ausstrecken würden. Das Verwirrendste war auch, dass der Ort gar nicht aussah, als wäre er in aller Hast geräumt worden. Nirgendwo gab es Unordnung oder lag Hausrat herum, wie es gewöhnlich der Fall war, wenn Einwohner überstürzt ihr Hab und Gut in Sicherheit zu bringen versucht hatten. Auch waren weder Türen noch Fenster mit Brettern vernagelt oder Balken verrammelt, um eine Plünderung zu erschweren. Ständen sie nicht hier, beritten und mit gezogenen Waffen, und lägen nicht hinter ihnen die blutverschmierten Toten, so hätte jeder, der die Siedlung aus ihrer Perspektive würde sehen können, sie für ein Stillleben der Ruhe und Friedlichkeit gehalten.
Einige Sachsen stiegen ab und vorsichtig, mit Absicherung durch die aufrückenden Reiter, begannen sie Hütte für Hütte, Wegzeile für Wegzeile den Ort zu durchsuchen. Sie fanden nichts. Es gab keinen Hinterhalt, keine Fallen – und keine Beute. Als sie schon die Halbe Siedlung durchkämmt hatten und die lauernde Anspannung einer enttäuschten Ernüchterung gewichen war, erreichten sie einen größeren freien Platz in der Mitte zwischen den Häusern. Da kamen die Männer auf den Gedanken, auf den verärgerte Plünderer, früher oder später zwangsläufig zu kommen scheinen. Sie begannen die Siedlung in Brand zu stecken. Die ersten Häuser hinter ihnen
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