Svantevit - historischer Roman (German Edition)
die tumbe Meute konnte es ja gar nicht abwarten, zur Schlachtbank zu kommen. Im Gegensatz zu gestern, waren in und um die Ortschaft herum keine Kinder zu sehen gewesen. Auch stand kein Vieh auf den Weiden und es schienen nur behoste Männer, keine Frauen in ihren langen, weißen, bunt abgesetzten Leinenkleidern, die ihm am Tag zuvor noch aufgefallen waren, geschäftig zu sein, alle in auffälliger Nähe der sicheren Befestigung. Die Anzeichen waren eigentlich klar und deutlich gewesen und Christian ärgerte sich. Über sich, weil er es nicht schnell genug erkannt hatte und über die Dummheit der Anderen, die meistens schon älter waren als er und die, vor lauter Gier, jede Vorsicht vergaßen und sich benahmen, als wäre dies hier ein Kinderspiel.
Jetzt hatte Graf von Waldeck anscheinend wieder die Befehlsgewalt übernommen und viele warteten, was er befehlen würde. Er gab aber keine Kommandos, sondern ritt in selbstverständlicher Führerschaft in die Reihen derer, die ihn eben noch hinter sich gelassen hatten und setzte sich wieder an ihre Spitze. Die Männer umgingen die Gräben und ritten rechts an den Palisaden entlang, um in den Ort zu gelangen. Der Palisadenzaun bestand aus dicken Brettern, Eichenbohlen, die tief in die Erde gerammt und eingegraben wurden und eine über mannshohe Holzmauer bildeten. Am oberen Ende war aus jeder Planke ein bärtiges Mannesgesicht geschnitzt, wie man es von den Götterbildern und -figuren der heidnischen Slawen kannte. Hinter den hölzernen, grimmig auf ihre Feinde blickenden Antlitzen tauchten jetzt solche aus Fleisch und Blut auf. Im Inneren der Anlage war, entlang der Holzwand, die Erde so hoch aufgeschüttet worden, dass die Verteidiger darüber hinwegsehen konnten und vor allem, damit sie über die Köpfe ihrer Götzen hinweg ihre Feinde mit Bögen und Steinschleudern attackieren konnten.
Die fünfzehn gepanzerten Mannen um Graf von Waldeck scherten sich überhaupt keinen Deut um das, was da vor ihnen geschah. Als sie den Befestigungsgraben erreichten, wandten sich alle, in einer Reihe hintereinander, dem südlichen Zugang nach Stralow zu. Die riesigen, massigen Pferde, schwer geharnischt, wie ihre Reiter, bildeten eine bewegliche Schutzmauer gegen die Geschosse der Ranen. In ihrer Deckung gelangten auch die restlichen Krieger relativ unbeschadet bis in Höhe des verschlossenen Zugangs. Dort sammelten sie sich, in ausreichend großer Entfernung, sie wollten nicht noch einmal Zielscheiben für die feindlichen Bogenschützen abgeben, von denen jetzt allerdings nichts mehr zu sehen war.
Die Panzerreiter trieben ihre kraftstrotzenden Tiere, die wie Kampfstiere schnaubten, sofort zu dem aufgeschütteten Erddamm, der über die Fallgrube zu dem verriegelten, eichenen Tor führte. Als sie die Pforte fast erreicht hatten, zeigten sich, wie auf Zuruf, auch schon wieder die Verteidiger hinter den holzgesichtigen Zinnen. Sie begannen sogleich die Angreifer zu attackieren. Allein diese störte das wenig, sie verließen sich voll und ganz auf ihre Rüstung. Zwei von ihnen waren abgesessen und führten ihre Pferde rückwärts an die Torflügel. An den Seiten schützen weitere Ritter diese und sich selbst mit ihren großflächigen Schilden vor den Projektilen, die man auf sie schoss und warf.
Ein junger Rane schleuderte große Gesteinsbrocken auf sie, sodass einer der Männer getroffen kurz zu Boden ging und sein Pferd scheute. Der Slawe war, wegen fehlender Erfahrung, oder aus Euphorie über seinen kleinen Erfolg, allerdings sehr unvorsichtig und unterschätzte die Reichweite der ritterlichen Lanzen eindeutig. Als er sich mit einem großen Stein in den Händen seinen Feinden hinter den Palisaden so weit genähert hatte, dass er schon fast direkt über ihnen stand, machte einer der Reiter, der anscheinend nur darauf gelauert hatte, einen kurzen Ausfall auf ihn zu und durchbohrte den völlig Erstaunten, der gerade zum Wurf ausgeholt hatte, mit seinem Spieß. Als er die unter der rechten Schulter eingedrungene Lanze mit einem Ruck wieder herauszog, sackte der Körper des tödlich verwundeten Heidenkriegers nach vorn, fiel über die Brüstung und landete im Graben, wo er grässlich verrenkt und mit Pflöcken gespickt liegen blieb.
Die beiden abgesessenen Männer befestigten Seile an dem Tor. Der erste warf Schlingen über die oberen Lattenenden, was durch den gottlosen Zierrat erleichtert wurde. Als er sein Pferd, an dem er die Stricke befestigt hatte, vorwärts trieb, stemmte es sich
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