Svantevit - historischer Roman (German Edition)
brannten schon lichterloh, als sie sich bis fast zum Ufer des Sundes vorgearbeitet hatten. Vorsichtshalber, aber mit immer mehr schwindender Hoffnung, guckten sie erst einmal in jede Hütte, in jeden Verschlag, bevor sie ihn anzündeten. Doch von einer Ausbeute konnte man eigentlich nicht sprechen. Ein wenig Bernsteinschmuck, ein paar Silbermünzen, etwas Tuch und einige Säcke Salz waren noch das Wertvollste, was gefunden wurde. Für adelige Ritter keine angemessene Entschädigung für einen Waffengang. Der Herzog würde Wohl oder Übel noch etwas drauflegen müssen, wollte er sich ihrer uneingeschränkten Loyalität auch in Zukunft versichert sein.
Aus dem Schutz der umliegenden Wälder schossen die geflohenen Verteidiger mit zunehmender Heftigkeit auf die Eindringlinge.
Bei den Sachsen wurden deshalb wieder Stimmen zum Rückzug laut. Alles, was es gab, hatte man geplündert, der Ort brannte und den Feinden war so, wie sie ausgerüstet waren, nicht beizukommen. So schätzte auch Graf von Waldeck die Lage ein, denn er ließ das Panier aufhissen, zum Zeichen, sich für den geordneten Abmarsch zu sammeln.
Niemand wagte es, sich dem abziehenden Heer direkt in den Weg zu stellen, aber der Beschuss aus dem Hinterhalt hielt unvermindert an. In vielen Schilden steckten schon abgebrochene Pfeilspitzen. Sie ritten wieder nach Westen, bemüht so schnell wie möglich die Deckung des dortigen Waldes zu erreichen, obwohl es ziemlich ausgeschlossen schien, dass ihnen nachgesetzt würde.
Ein Pfeil wurde abgeschossen.
Christian war die ganze Zeit ein Stück hinter Ronald hergeritten. Für zwei Pferde nebeneinander war der Platz mitten der Bäume einfach zu eng. Überall im Wald hörte man das Getrappe der erschöpften Pferde. Die Verständigung untereinander war auf das Nötigste reduziert. Jeder schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. So waren sie schweigend zu einer Lichtung gekommen. Ronald hatte einen kurzen Moment gezögert, bevor er seinen Fuchs schließlich doch auf die sonnenlichtüberflutete Wiese lenkte. Sie waren wohl endgültig entkommen und alles schien friedlich. In der Mitte wartete er auf Christian, der ihm folgte.
Christian wollte, während er seinen abgekämpften Schimmel tätschelte, gerade eine flapsige Bemerkung über die seinem Freund überdeutlich anzusehende Erleichterung machen, als ihn das Geschoß traf. Er hatte in der drückenden Hitze des Waldes den am Helm befestigten, kettengliederigen Halsschutz geöffnet und hinter die Schultern geschlagen. Genau dort, an der ungeschützten Stelle spürte er den wuchtigen Aufschlag, der ihn aus dem Sattel riss. Den Sturz vom Pferd, der für sich schon schmerzhaft genug gewesen wäre, bekam er gar nicht mehr mit.
Nachdem die erste Benommenheit ein wenig gewichen war, lag er auf dem Rücken im Gras. Er fasste sich mit der rechten Hand an die Stelle, wo er jetzt deutlich das Brennen und Schmerzen der Verletzung merkte. Als er sich die Finger vor die Augen schob, waren sie blutverschmiert. Alle Kraft schien aus ihm zu weichen. Er konnte nur einfach so daliegen und auf den vermeintlichen Tod warten. Nicht einmal Angst konnte er spüren, dafür schien sein ganzes Denken viel zu betäubt. Alles um ihn herum wirkte auf einmal so friedlich, so still. Er war unendlich müde. Der blaue Himmel über ihm war wie ein tiefes, blaues Meer der Ruhe, in das er sich fallen lassen wollte. Nicht die Wolken schienen am Firmament entlang zu ziehen, er meinte vielmehr selbst dahin zu schweben, unter der strahlenden Kuppel, die sich über der Schöpfung wölbte. Plötzlich wurde die beschauliche Idylle durch ein Gesicht gestört, das sich in sein Blickfeld schob. Er hätte es gern verscheucht, wie ein lästiges Insekt, obwohl es ihm irgendwie vertraut vorkam, aber er war zu schwach, um sich zu bewegen. Als der über ihn Gebeugte auch noch anfing auf ihn einzureden und ihn zu schütteln und auf die Wangen zu schlagen, schloss er einfach die Augen und versuchte sich ganz in die schläfrige Ruhe, die sich seiner immer mehr bemächtigte zu versenken. Alles um ihn herum wurde leiser und leiser und er tauchte endgültig ein in die glückselige Benommenheit, die das Diesseits vergessen ließ. Er starb . . .
KAPITEL II
Rügen, elf Jahre zuvor
Die Jagd
"Heh! –Heh! –Heh!"
Angetrieben von je einem Dutzend Ruderer schossen die beiden Boote regelrecht über die See. Die Kommandos des Steuermanns sollten nicht der Anfeuerung dienen, sondern eher dem
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