Svantevit - historischer Roman (German Edition)
erreichte, wurde er entdeckt und Ronald tat das, was Christian befürchtet hatte. Er winkte ebenfalls, um anzuzeigen, dass alles in Ordnung war, dann wendete er sein Pferd wieder und trieb es, den Freund nun in seinem Rücken wissend, wieder den Anderen hinterher. Christian war schon am verzweifeln, als er Ronald so dicht vor sich erneut verschwinden sah, als das geschah, was er befürchtet hatte. Die Falle schnappte zu.
Sie befanden sich noch ungefähr dreihundert Meter vor dem Ort, als die ersten Reiter schwertschwingend und lärmend den äußeren Ring der Befestigung erreichten. Einige von ihnen wurden mit einem Mal vom Erdboden verschluckt. Da wusste Christian sofort, was los war. Gestern gab es vor den Erdwällen, die rings um die Holzpalisaden aufgeschüttet waren noch, selbst von weitem gut erkennbar, tiefe Gräben. Diese hatten die Bewohner allem Anschein nach abgedeckt, um die Angreifer, die sie offensichtlich erwartet hatten, mit ihren Pferden in diese Fallgruben zu locken.
Der Vorwärtsdrang ihrer Attacke kam kurz ins Stocken. Die Männer zügelten ihre Tiere, viele scheuten und mussten erst einmal wieder unter Kontrolle gebracht werden, einige warfen sogar ihre Reiter ab und flüchteten panisch. Dem guten Dutzend, das im vollen Galopp in die Gräben geraten war, erging es nicht sehr gut. An den Seiten der Vertiefung waren angespitzte Pflöcke in das Erdreich getrieben worden, die Mensch und Getier pfählten und die meisten so augenblicklich töteten. Einige kamen mit schrecklichen Wunden, schreiend oder vor Entsetzen gelähmt, mit weit aufgerissenen Augen, aus der Grube geklettert. Die Männer um sie herum wurden von dem grausigen Anblick in Schrecken versetzt. Alle hatten damit gerechnet, hier leichtes Spiel zu haben, sonst wäre man natürlich ganz anders vorgegangen, denn niemand wollte wirklich bei solch einer relativ sinnlosen Aktion sein Leben lassen. Jetzt war es zu spät, obwohl einige offenbar durchaus einen Rückzug erwogen. Gerade diejenigen, die angesichts der leichten Beute ihre Gier kaum hatten zügeln können und als erste losgestürmt waren, durchaus auch in der Hoffnung, heidnisches Blut fließen zu lassen, wurden nun ebenso rasch von Feigheit und Angst überwältigt.
Das alles, der Sturz in den Graben, das Stocken des Angriffs und schließlich der Rückzug der eben noch vorausgeeilten, geschah in so kurzer Zeit, dass die meisten Ritter unentschlossen auf ihren, unruhig auf der Stelle tretenden Pferden saßen und im Grunde darauf warteten, dass jemand das Kommando übernahm. Ronald blickte den Fliehenden hinterher und sah eine mächtige, metallisch schimmernde Wand aus Pferde- und Menschenleibern auf sie zukommen.
Die Panzerreiter des Grafen von Waldeck kamen in einer, den gesamten Weg versperrenden, Reihe die Anhöhe heruntergetrabt. Sie hatten sich seitlich auf einen Abstand auseinander gezogen, welcher der doppelten Länge der Lanzen entsprach, die sie jetzt eingelegt hatten. Dadurch war die Kette undurchdringlich. Ohne irgendwelche Anzeichen, Tempo oder Formation ändern zu wollen, ritten sie unbeirrt auf die Siedlung zu. Der Angriff wurde fortgesetzt, so einfach würde man sich von den Ungetauften nicht bezwingen lassen. Die Schwerter wurden in die Höhe gereckt und mit Hurra-Geschrei der Sturm auf Stralow erneut aufgenommen.
Der Ort war nicht vollständig mit einem Palisadenzaun umgeben. Nur an der Seite, von der aus Angriffe vom Land zu erwarten waren, befanden sich Gräben, Wälle und der hölzerne Wehrgang zur Abwehr anstürmender Feinde. Um in die Siedlung zu gelangen, musste man dieses weitläufige Hindernis umgehen, damit die seitlich gelegenen Eingänge erreicht werden konnten. Die Anlage war dabei so angelegt, dass jeder Feind, der sich Einlass in die Siedlung verschaffen wollte, an ihrem Fuß und in Reichweite gegnerischer Bögen und Steinschleudern entlangziehen musste.
Christian kam in diesem Moment die zweite Merkwürdigkeit in den Sinn, die ihm vorhin, als sie von der Anhöhe auf das Treiben herabgeblickt hatten, aufgefallen war. Es waren durchaus Menschen zu sehen gewesen, zwischen den Holzhütten und auf den Feldern davor. Keineswegs war die Szenerie so ausgestorben, wie es jetzt der Fall war und doch war etwas anders, im Vergleich zum Vortag. Natürlich! Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Es war eigentlich unübersehbar und wenn sie nur ein wenig mehr Zeit gehabt hätten, wären sie wohl kaum in diesen augenscheinlichen Hinterhalt geraten, aber
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