Svantevit: Radiks Geschichte - Historischer Roman (German Edition)
Anwesenden wussten, dass er der Sohn eines der mächtigsten Männer am Fürstenhof war. Seine Gegenwart und sein Wort, wenn auch derart ungeschickt vorgetragen, waren daher durchaus dazu angetan, sie einstweilen zu beruhigen.
Nach einer Weile, die Männer hatten weitgehend stumm ihre Mahlzeit beendet und sich dann entfernt, saßen sich Radik und Granza allein gegenüber.
"Irgendetwas stimmt mit dir nicht", sagte Radik, während er seinen Freund fest anblickte, "Was bedrückt dich?"
"Trägt nicht ein jeder in der Burg schwere Gedanken? Hat dir die Reizbarkeit der Männer nicht gezeigt, welche Last auf ihren Gemütern ruht. Davon kann ich mich nicht ausnehmen."
"Erzähl mir doch nichts", sagte Radik, während er zur Tür ging und diese schloss, "Warum bist du eigentlich hergekommen? Sosehr mich deine Anwesenheit freut, verwundert mich jetzt dein Verhalten."
"Es ist mir, offen gesagt, nicht leicht gefallen. Aber es war meine Pflicht, ich konnte dich doch nicht im Stich lassen."
Radik wurde aus diesen Worten nicht recht schlau.
"Mich im Stich lassen?", fragte er, "Sieh dies bitte nicht als Vorwurf, aber du hättest mir mehr geholfen, wenn du mit einer Schar Garzer Krieger gegen die Dänen gezogen wärst, die da draußen unsere Burg belagern. Wie willst du mir hier drin einen solchen Gefallen tun, wo du selbst in der Falle sitzt?"
"Ich könnte dir ja vielleicht einen entscheidenden Rat geben."
Radik schüttelte den Kopf.
"Was soll das? Sag mir endlich was los ist?", platzte ihm der Kragen, "Wie lautet denn nun dein entscheidender Rat?"
Granza stand jetzt auch auf und blickte Radik fest in die Augen.
"Wir sollten uns ergeben."
Eine kurze Weile schwiegen sie.
"Ist dies der richtige Augenblick für solche Scherze?"
"Die Fürsten werden keine Hilfe schicken", sagte Granza leise und wich nun dem Blick des Freundes aus.
Radik merkte, dass es Granza völlig ernst meinte, doch konnte er kaum glauben, was er da hörte.
"Was sagst du da?!"
"Es ist doch seit langem klar, dass die Dänen und die Sachsen einen vernichtenden Feldzug planen. Ihren Truppen würden wir nicht gewachsen sein. Sieh dir doch an, was aus den anderen Stämmen geworden ist, die unsere Nachbarn sind. Sie sind unterworfen und es ist nur eine Frage der Zeit, wann dieses Schicksal auch uns ereilen wird."
"Und nun soll es so weit sein?!"
Radik nahm wütend eine Schüssel vom Tisch und warf diese gegen die Wand.
"Ja! Die Entscheidung ist den Fürsten nicht leichtgefallen", sagte Granza in bemüht ruhigem Ton, "Sie haben sich darüber sogar arg zerstritten. Fürst Tetzlaw wollte nur die Sachsen als Lehnsherrn akzeptieren und hat überlegt, dieses Ansinnen Herzog Heinrich durch Gesandte anzutragen. Aber Fürst Jaromar fürchtete, dass dies die Dänen nicht an einem Feldzug hindern würde."
"Ich kann das einfach nicht glauben!", sagte Radik voller Zorn, "Aber warum haben die Fürsten dann noch keine Unterhändler zu den Dänen gesandt?"
"Das ist das eigentliche Problem für euch, besser gesagt für uns", meinte Granza, "Die Fürsten wollen die Priester loswerden. Sie sind ihnen schon seit langem zu mächtig. Außerdem werden weder Dänen noch Sachsen deren Kulte dulden. Ich brauche dir doch nichts zu erzählen, was die Christen betrifft. Da weißt du besser Bescheid als ich. Also werden die Fürsten abwarten, bis die Tempelburg vernichtet ist. Die Dänen wissen daher noch nichts von den Absichten, die man in Garz hegt."
"Man will uns opfern? Uns alle?", fragte Radik ungläubig, "Die Drecksarbeit sollen die Dänen erledigen. Welche Feiglinge!"
"Hör mir bitte zu!"
Granza fasste Radik bei den Schultern.
"Es muss doch nicht so schlimm kommen! Verständige dich mit den Dänen. Gib ihnen zu verstehen, dass wir uns ..."
"Verrat?! Du willst mich zum Verrat überreden?"
Radik stieß seinen Freund heftig von sich.
"Bist du dir im Klaren, was du von mir verlangst? Aber nein, wie könntest du? Dir ist ja immer alles in den Schoß gefallen! Der Sohn des großen Litog!", brüllte Radik, "Was sind euch ein paar Menschenleben? Was ist euch Ehre? Wenn es nur um den Erhalt der Macht geht!"
"Ich bin doch gerade deshalb hier, um sinnloses Blutvergießen zu verhindern", verteidigte sich Granza, "Freiwillig bin ich hergekommen."
"Um mir diesen großen Freundesdienst zu erweisen? Mich vor die ausweglose Wahl zu stellen. Entweder lasse ich mein Leben bei der letztlich vergeblichen Verteidigung der Burg oder ich ergebe mich dem Feind und werde als Verräter
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