Sven Larsson Bd. 2 - Unter der Flagge der Freiheit
und die Wetterlage sorgfältig beobachten. Wenn wir die Bramstengen vor unserem Verfolger einholen müssen, weil uns der Sturm eher trifft, dann wäre ein guter Vorsprung wichtig.«
Das ganze Schiff wusste inzwischen, dass sie vor einer britischen Fregatte flohen. »Warum kämpfen wir nicht?«, fragte Midshipman Ernst Salvatore seinen Freund Heinrich.
Der tippte sich an den Kopf. »Du Grünschnabel! Die haben 26 Zwölfpfünder. Die würden uns glatt aus dem Wasser pusten. Pass mal besser auf, wenn Mr Bauer Flottenkunde unterrichtet.«
Am Nachmittag hätte ein uneingeweihter Beobachter kaum vermutet,dass hier eine Sloop um jeden Preis einer Fregatte entkommen wollte. Die Mannschaften hatten Mittag gegessen, ihren mit Wasser verdünnten Rum getrunken und übten nun an Deck die Abwehr von Enterern. Die Offiziere auf dem Achterdeck spähten vielleicht öfter als sonst mit ihren Teleskopen achteraus oder nach den sich voraus auftürmenden Wolkenbergen, aber keine einzige Kanone war bemannt.
Der Ausguck hatte gerade gemeldet, dass der Abstand sich um etwa sechs Meilen eingependelt habe, da hörten sie von vorn dumpfes Krachen. Das heraufziehende Gewitter kündigte sich durch Donnergrollen an.
Kapitän Larsson ging ein paar Schritte zu Mr Adams, dem Master, und fragte: »Erwarten Sie eine Windänderung, Mr Adams?«
»Der Wind wird von Nordnordwest auf Ostnordost drehen und sehr stark werden. Aber dann erwarte ich keine Richtungsänderung mehr, Mr Larsson.«
Sven dachte nach. »Wir werden jetzt die Leesegel einholen. Eine halbe Stunde, bevor der Sturm uns trifft, werden wir dann die Stengen bergen und Kurs Südsüdwest nehmen. Das wird reichen, um unseren Verfolger nicht zu dicht herankommen zu lassen. Helfen Sie mir bitte bei der Abschätzung des Zeitpunktes.«
»Aye, Sir. In anderthalb Stunden etwa.«
Schon nach einer Stunde wurde der übliche Dienst an Deck abgebrochen. An Deck wurden jene Taue gespannt, die bei starkem Seegang der Wache Halt geben sollten. Danach blieb nur die Wache an Deck und überprüfte zum dritten oder vierten Mal alle Taue und Luken. Sven und der Master standen beieinander und schauten immer wieder auf die heranwachsende Gewitterwand und auf das Barometer. Es war sehr tief gefallen.
Die Fregatte war stark aufgekommen, seit die Enterprise die Leesegel geborgen hatte. Sie selbst führte noch alle Leesegel. Sven überlegte, ob der britische Kapitän ein Hasardeur oder ein überaus guter Seemann mit eingespielter Besatzung war. Aber so oft er die Fregatte auch durchs Teleskop studierte, er konnte die Frage nicht beantworten. Dann verbannteer diese Gedanken. Der Abstand betrug jetzt gut drei Meilen. Das müsste reichen. Und wenn der Brite nicht zaubern konnte, würde ihm die Sturmwand sehr zu schaffen machen.
Sven ordnete an, dass die Wache schon die Boote festzurren, die Ankerketten ausschäkeln und die Klüsen dichtsetzen solle.
Unter Deck hatte Mr Bauer alle Vorkehrungen überprüft. Die Matrosen, die die Bram- und Royalsegel bedienten und keine Wache hatten, hielten sich bereit. Die anderen dösten in Erwartung des Sturms. Der Koch hatte noch dicke Suppe und Kaffee gekocht und Brot vorbereitet.
Dann kam der Befehl, die Stengen einzuholen. Die eingeteilten Matrosen strömten an Deck. Einige blieben erst erschrocken stehen. Die Fregatte war schon dicht aufgekommen, und auch die Sturmwand schien zum Greifen nahe. Dann schoben die anderen nach, und alle eilten die Wanten empor.
Jetzt waren die Bramstengen an allen Masten gleichzeitig zu bergen. Die Befehle hallten, aber Sven hatte angeordnet, dass nicht zur Hetze, sondern zur Vorsicht gemahnt werden sollte. Aber die Matrosen setzten sich selbst unter Druck. Als der Hauptmast zuerst die Rahe hinunter gab, wollten die Gasten am Fockmast die Zeit einholen.
Tim Worb, ein junger Toppgast, rutschte vom Marsfußpferd ab, hielt sich mit der linken Hand noch einen Moment fest, wurde durch ein Schwanken des Masts abgeschüttelt, fiel schreiend auf ein Untermaststag, das seinen Fall bremste. Unten stand Bootsmann Petrus, sprang in die Fallrichtung und fing Tim mit seinen Riesenkräften auf. Beide stürzten zu Boden, aber keiner hatte sich etwas gebrochen.
Joshua Petrus rappelte sich als Erster hoch. »Scher dich unter Deck, du Pfeife. Pass beim nächsten Mal besser auf, sonst lass ich dich aufs Deck knallen. Bin ich vielleicht Babyfänger?«
Laut brüllte der Bootsmann zu allen: »Macht weiter. Der Kerl ist
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