Sven Larsson Bd. 2 - Unter der Flagge der Freiheit
gesund.«
Sven atmete durch. An Bord der Enterprise gab es niemanden mehr, der den Bootsmann nicht respektierte.
Jetzt kamen die Stengen kurz hintereinander an Deck. Matrosen stürzten sich auf sie, um sie mit Tauen so festzuzurren, dass kein Sturm sie lösen konnte. Joshua Petrus ging umher, kontrollierte und gab Anweisungen.
Sven spähte durchs Teleskop zum Verfolger. Die machten doch tatsächlich das Buggeschütz klar zum Schießen, führten aber noch alle Segel. Sind die wahnsinnig, dachte Sven. Auf diese Entfernung, bei dieser unruhigen See war nur ein Zufallstreffer möglich. Lohnte das das Risiko?
Er schaute zur Sturmwand. Allerhöchste Zeit, die Segel zu bergen. »Wir wollen mit gerefftem Großmarssegel, Fock mit aufgefierten Schoten und Vorstengestagsegel vor dem Wind laufen!« Sven gab die Befehle und rief den Matrosen zu, sie sollten die Segel besonders fest vertäuen, damit der Sturm sie nicht aufreißen konnte.
Am Ruder standen schon vier Mann. Sie würden alle Kraft brauchen, um das Schiff im Sturm auf Kurs zu halten. Die Segel waren geborgen.
»Kurs Westsüdwest!«, befahl Sven. Mühselig zog die Fock das Schiff in die neue Richtung. In dem Donnerkrachen war der Schuss der Fregatte kaum zu unterscheiden, aber Sven bemerkte die Fontäne seitwärts achteraus, die die Kugel aus dem Wasser gerissen hatte, und sah die Rauchwolke am Bug der Fregatte verwehen.
Dann schlug die Sturmwand mit einem Gemisch aus Luft und Wasser zu. Einige Mann an Deck riss es um. »Festbinden!«, brüllte Sven und sprang auf den nächsten Mann zu, um ihn zu umklammern. Gemeinsam hingen sie an Svens Tau, das seinen Leib einschnürte. Dann war einen kleinen Moment Windstille.
»Ihre Segel zerfetzen!«, rief Mr Pendleton und zeigte in Richtung der Fregatte. Aber Sven konnte nichts erkennen. Jetzt hatte die Sturmwand sie ergriffen. Unaufhörlich droschen Windstöße auf sie ein. Ihre Wetterjacken und ihre Hauben halfen gar nichts mehr. Die Nässe kroch bis auf die Haut. Wie gut, dass es nicht so kalt war.
Sven hatte die erste Wache. Mr Pendleton würde ihn mit dem Master in einer Stunde ablösen. Und dann war Karl Bauer dran. So konnte sich jeder wieder etwas erholen.
Die Matrosen der Wache duckten sich hinter Aufbauten und klammerten sich an die Taue, mit denen sie sich festgeschnürt hatten. Die Wellen schlugen auf die Enterprise , dass man erwartete, jeden Moment würde das Deck nachgeben. Und sie schleuderten das Schiff umher, dass selbst die Männer am Ruder taumelten.
Sven sah, wie an der vierten Kanone Steuerbord ein Seil wegriss. Mit Handbewegungen dirigierte er einen Matrosen, der mit ihm zu der Kanone kroch und ein neues Seil festzurrte. Und dann stand plötzlich die Wasserwand über ihnen. Sven warf sich auf den Matrosen, drückte ihn flach auf das Deck und klammerte sich mit Händen und Füßen an die Taue der Kanone. Die Welle riss ihn vom Matrosen herunter, warf ihn auf den Rücken und zog ihn zur Reling, sodass ihm das Tau, mit dem er festgebunden war, die Luft abschnürte. Mit beiden Händen griff er danach, um sich zurückzuziehen und den Druck auf Leib und Brust zu mildern.
Der Matrose war unversehrt und half ihm, zurück zum Ruder zu kriechen. Die Rudergänger konnten das Schiff kaum noch auf Kurs halten. Wir müssen ein dickes Kabel achteraus lassen, dachte Sven. Eine oberarmstarke Trosse von knapp 50 Meter Länge würde die Lage des Schiffes stabilisieren.
Unter Deck litten sie furchtbar. Die Freiwache klammerte sich an alles, was fest war, um nicht umhergeworfen zu werden. Wassergüsse drangen durch undichte Luken und Planken. Ein Fass riss sich los und schlug einem Mann den Arm blutig, ehe es mit Matten und Tauen gebändigt werden konnte.
Einige mussten sich übergeben, andere schrien vor Angst und Verzweiflung, bis sie – oft genug mit Schlägen – zum Schweigen gebracht wurden. Niemand wusste in dem Dunkel noch, welche Zeit es war. Die Bootsmannsmaate riefen Männer an die Pumpen, und deren »Klick-Klack« sollte die nächsten Tage ihr Begleiter sein.
In der Kapitänskajüte hielt Martin mit Kerzen Kaffee für den Kapitän warm, wenn der sich von der Wache ausruhen konnte. Rocky war an der Innenseite mit einem Gurt festgeschnallt, damit er nicht durch den Raum geschleudert wurde. Er mauzte ängstlich und musste immer wieder durch Streicheln beruhigt werden.
Im Unterdeck gab es keine Erholung. Die nassen Sachen trockneten nicht. Sie feuchteten im Gegenteil alles an.
Weitere Kostenlose Bücher