Sven Larsson Bd. 4 - Auf zu neuen Horizonten: Roman
liberal und patriotisch! Möge das Schiff diesen Geist in alle Welt tragen!«
Die Reden, die zwei Tage später zur Namensgebung gehalten wurden, kreisten um diese Gedanken. Es war eine feierliche Zeremonie, und die Besatzung des neuen Schiffes schien beeindruckt. Sven wurde jäh aus dem Höhenflug herausgerissen, als Mr Pompidol ihm zuflüsterte: »Es war der Bäcker! Er hat sich nach der Inhaftierung erhängt und seiner Frau in einem Brief sein Bedauern über diese Tat übermittelt. Es sei einfach über ihn gekommen, als alle Welt wieder über diesen Kapitän sprach. Aber der könne ja nichts dafür, dass sein Sohn sich durch Suff und falschen Umgang selbst in den Tod manövriert habe.«
Alles weitere Geschehen perlte an Sven ab. Seine Vertrauten konnten sich nicht erklären, warum er so versteinert wirkte. Selbst die Nachricht, dass die beiden Schiffe ihres Geleits gut in Cardiff angekommen seien, ließ ihn unbeteiligt. Erst als ihm sein Schreiber mitteilte, ein Bote des Barons habe einen Brief seiner Frau vom Postschiff aus Amerika gebracht, löste er sich von allem und ging in seine Kajüte.
Dort sah er den Brief seiner Frau, aber zunächst verstärkte der nur die Gewissheit, dass sie ja nicht hier war. Sie konnte mit ihm nicht darüber reden, warum Menschen sich immer wieder in so folgenträchtige Taten allein durch flüchtige Gedankenverbindungen hineinreißen ließen, ohne ihre Gedanken vorher kritisch zu hinterfragen. War eine bestimmte Art von Menschen dazu nicht fähig oder war es eine Frage der Erziehung? Mit niemandem sonst hätte Sven jetzt lieber darüber gesprochen als mit Sabrina.
Schließlich öffnete er den Brief und las wie immer zuerst die Schlusssätze. Erst wenn er wusste, dass ihn keine Hiobsbotschaft erreichte, konnte er auch den Beginn mit freudiger Erregung in sich aufnehmen. War es Gedankenübertragung? Sabrina schrieb ihm, dass er mit ihr gar nicht über den Namen des neuen Schiffes gesprochen habe. Der sei doch wichtig, da dieses Schiff neue Horizonte eröffnen solle. Aber Sven wurde nun innerlich immer zuversichtlicher, dass Sabrina mit dem Namen einverstanden wäre. Würde sie auch verstehen, wie erschüttert er war, dass das Auftauchen seines eigenen Namens so viel Unheil ausgelöst hatte?
Sven musste auf einmal schmunzeln. Er konnte sich denken, wie Sabrina auf seine Frage reagiert hätte. »Wann merkst du dir einen Namen?«
»Wenn er besonders ungewohnt klingt, wenn sein Träger etwas Besonderes getan hat, wenn er für mich wichtig ist.«
Sabrina hätte ihn prüfend angeschaut und gesagt: »Es hängt also nicht in erster Linie davon ab, ob der Namensträger ein besonders guter oder schlechter Mensch ist?«
Wenn er nun Sabrinas Gedankengang weiter folgte, dann konnte er einen Namensträger nicht dafür verantwortlich machen, was ein anderer aus Anlass der Namensnennung tat. Der Name war nur der Auslöser, nicht der Grund einer Tat. Aber in seinem Fall hatte sein Name doch bestimmte Erinnerungen wachgerufen. Als Sven darüber nachdachte, musste er zugeben, dass diese Erinnerungen beim Bäcker sehr komplex und gefühlsbesetzt gewirkt haben mussten. Sonst hätte er ja nicht geschrieben, dass Sven keine Schuld am Suff und am schlechten Umgang seines Sohnes treffe. Sein Name hatte nur eine sehr komplexe Erinnerung geweckt, und der Bäcker hatte ohne vorherige Reflexion über den Zusammenhang seiner Gedanken reagiert.
Sven war es, als ob er die Nähe seiner Frau spürte. Er atmete erleichtert und war bereit für positive Reaktionen. Er las nun Sabrinas Zeilen und spürte, wie seine Kinder um ihn herumtollten, sich nach ihm sehnten, sich auf die große Schiffsreise freuten und wie Sabrina sich um ihn sorgte.
Kann das Herz einer Frau mehr Empfindungen aufnehmen und verarbeiten als das eines Mannes? Ist das immer ein Vorteil? Svens Gedanken kreisten. Wenn im Kampf oder im Sturm alles auf ihn einstürmte, musste er immer voller Konzentration sein und eine Auswahl treffen. Wenn die falsch war, musste er jederzeit zur Revision bereit sein. Das bedeutete doch aber, dass eigentlich immer die ganze Auswahl der Eindrücke präsent sein musste, wenn auch vielleicht mit unterschiedlicher Intensität. Hieß das, dass derjenige, der schneller und häufiger Entscheidungen traf, auch ein höheres Fehlerrisiko in Kauf nahm? Und wenn man nun noch die Kapazität des Entscheidungsträgers ins Kalkül zog, dann blieb nur der Schluss, dass ein Mensch mit geringerer Entscheidungskompetenz nicht oft zu
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