Sydney Bridge Upside Down
Pistole ausprobieren, ohne mir davon zu erzählen. Das war der Grund, warum er nicht wollte, dass ich von Busters Rückkehr erfuhr, der immerhin mehrere Wochen fort gewesen war.
Ich hatte längst aufgegeben zu fragen, wann er zurückerwartet wurde. Am Anfang hatte ich immer Mrs Kelly gefragt, wenn ich sie sah. Irgendwann erzählte Dibs, dass Buster sich mit seinem Vater gestritten hatte und dass keiner wusste, wann sie ihn und seine Indian überhaupt jemals wiedersehen würden. Mrs Kelly hatte es satt, nach ihm gefragt zu werden. Dibs hatte versprochen, mir Bescheid zu sagen, wenn er etwas hörte. Ich hatte ihm vertraut und aufgehört, Mrs Kelly mit meinen Fragen zu belästigen.
Jetzt wünschte ich, ich wäre öfter mit ihnen zur Höhle raufgegangen, ich hatte so viel verpasst. Und während ich so nachdachte, hielt ich immer den Blick auf die Emma Cranwell gerichtet. Von Caroline keine Spur.
»So so«, sagte ich zu Dibs, »und warum willst du Buster erzählen, dass Cal fast ertrunken ist? Warum soll ihn das interessieren?«
»Dann darf Cal mal mit ihm fahren«, sagte Dibs. »Buster nimmt ihn bestimmt auf eine lange Tour mit, wenn er erfährt, was passiert ist.«
»Bestimmt nimmt er mich mit zum Strand«, sagte Cal. »Vielleicht kauft er mir sogar Bonbons.«
»Kommt mir alles etwas merkwürdig vor«, sagte ich. »Da rette ich dir das Leben, und du bist derjenige, der belohnt wird.« Eigentlich war es mir egal, wie viele Bonbons er bekam, solange er nur Papa nicht erzählte, wie knapp er davongekommen war.
»Ich schau mir mal die Kisten an«, sagte Cal und stand auf. »Mr Phelps hat nämlich nichts dagegen, wenn ich mich mal umschaue.«
»Was sagst du dazu?«, sagte ich zu Dibs. »Jetzt glaubt er, alle finden ihn ganz toll. Wenn ich fast ertrinken würde, würden die Leute bestimmt nicht so einen Wirbel machen. Es würde bestimmt keiner ins Wasser springen, um mich zu retten.«
»Richtig so«, meinte Dibs, sprang auf und rannte hinter Cal her. Wenn er nicht so schnell gewesen wäre, hätte er sich eine gefangen.
Die beiden gingen mir mächtig auf die Nerven. Aber dass Dibs mich verraten hatte, vergaß ich schnell. Ich hatte mich nämlich zur Lore geschlichen und sah mir die Kisten an, die von den Seeleuten aufgeladen wurden. Auf den Kisten stand:
HIER OBEN
MR D. S. NORMAN
C/O SCHULE
CALLIOPE BAY
Ich wusste, was das bedeutete. Es bedeutete, dass Susan Prosser recht gehabt hatte. Mr Dalloway kam nicht zurück, wir bekamen einen neuen Lehrer.
Schon vor ihrem Tod war ich mehr und mehr überzeugt gewesen, dass sie recht hatte. Doch als ich nach ihrem Tod erfuhr, was für eine Lügnerin sie gewesen war, musste ich davon ausgehen, dass sie auch gelogen hatte, als sie erzählte, dass Mr Dalloway nicht zurückkehren würde. Sie hatte nicht nur den Wellensittich erfunden (Was für ein Wellensittich?, war Mrs Prossers Antwort, als Papa auf meine Anregung hin anbot, sich um Joey zu kümmern), sie hatte auch gelogen, als sie angedeutet hatte, dass sie meiner Mutter einen Brief über mich und Caroline schreiben würde (vom Fangenspielen stand in dem Brief nämlich nichts). Die Kisten bewiesen nun, dass sie in Bezug auf Mr Dalloway ausnahmsweise mal nicht gelogen hatte. Dies alles war nur so zu verstehen, dass sie einfach viel verrückter war, als sie tat, auf jeden Fall war sie längst nicht so gescheit, wie sie immer schien. Und da sollte sie mir noch leid tun? Sie tat mir nicht leid, sie war mir völlig egal.
Mir machte es nun nichts mehr aus, auf Caroline zu warten. Es war doch nur richtig, dass sie ihre alten Freunde wiedersah. Irgendwann würde sie schon rauskommen. Der Tag rückte zwar näher, an dem sie für immer im Bauch dieses Schiffes verschwinden würde, aber heute war nicht dieser Tag.
Ich entfernte mich von der Lore und setzte mich auf den Poller. Dort wartete ich auf Caroline. Als Dibs und Cal an Bord gehen durften, um den Maschinenraum zu besichtigen, blieb ich einfach sitzen.
Es zahlte sich schließlich aus, dass ich gewartet hatte. Denn als die Matrosen Caroline schließlich über die Landungsbrücke halfen und ihr die Geschenke in die Hand drückten, kam sie als Erstes auf mich zugelaufen, ich war es, dem sie einen Kuss gab.
Jetzt störte es mich auch überhaupt nicht mehr, dass Sam Phelps mir wieder einen seiner messerscharfen Blicke zuwarf. Er schien mich zu warnen, er wollte wohl nicht, dass ich hinter Sydney Bridge Upside Down aufsprang. Aber Caroline würde alles regeln.
9
Wir
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