Symbiose (Schicksal)
nicht.“ Der Arzt sah mich tröstend an. Wäre ich nicht in dieser schlimmen Lage, hätte ich wohl das Schwärmen angefangen. Er sah nicht aus wie diese typischen Ärzte. Eine dunkle Locke hing in sein Gesicht und die blauen Augen waren zum Dahinschmelzen. Unter seinem Shirt vermutete ich eine Menge Muskeln. Er sah aus wie eine Mischung aus verschiedenen Greys Anatomy Schauspielern. Aus dieser Sendung hatte ich auch mein Interesse an Medizin her. Doch nie hatte ich tatsächlich einen Arzt gesehen, der so aussah. So als hätte er auch als Model arbeiten können. Da das alles in diesen Sendungen so unrealistisch war, hatte ich mich wieder mehr auf die medizinischen Fakten konzentriert. Dr. Gallagher lächelte mich beruhigend an und es half tatsächlich. Gerade noch hatte ich das Rauschen meines Blutes im Ohr gehört, nun wurde es leiser. Ob man sowas auch im Studium lernt? Wahrscheinlich nicht, denn der Typ von gestern hatte es nicht geschafft. „Ich weiß und freue mich riesig. Ich habe nur Angst, dass der Kampf noch lange nicht vorbei ist. Wird sie Hirnschäden davon tragen. Kann man das jetzt schon sagen?“
Sein Blick wurde wieder ernster. „Mit 100 prozentiger Sicherheit kann man das nicht sagen, aber als sie eben wach war, haben wir ein paar Reflexionstests machen können. Sie hatte ihre Arme und Beine bewegen können, außerdem hat ihr Herz die Operation gut überstanden. Wie ich schon sagte, es gleicht einem Wunder.“
Ich musste nun zu Fabienne. Sie war zwar noch immer auf der Intensivstation, aber sie hatten sie in ein Einzelzimmer verlegt. Dort durfte man rein.
Der Wunsch, sie zu berühren wuchs immer mehr. Also ging ich um das Bett und streifte mit meinen Fingern über das viel zu weiße Laken. Bis ich an Fabiennes Kopf ankam. Diese vielen Schläuche, das Geräusch des Herzens, all das ließ mich neben dem Bett zusammenbrechen. Vielleicht war es Erleichterung, dass alles wieder gut werden würde. Vielleicht aber auch die Erschöpfung der letzten Nacht. Ich wusste nicht woran es lag, aber es tat verdammt gut, alles rauszulassen. Gerade als ich dachte, es könnte sich keine Träne mehr in mir befinden kam Lucia an meine Seite und streichelte meine Schulter. Die Berührung ließ mich von vom neuen anfangen zu weinen. Es dauerte einige Minuten, bis ich mir erschöpft die letzen Tränen von der Wange wischen konnte. Und dann konnte ich endlich meiner kleinen Schwester die Hand halten. Ich hatte mir vorgenommen, keinen Zentimeter mehr von ihr zu weichen, bis sie das nächste Mal aufwachen würde. Es war wie in Zeitlupe, immer wieder kamen Ärzte und Krankenschwester ins Zimmer um nach ihr zu sehen. Es vergingen Stunden, doch Fabiennes Augenlieder blieben geschlossen.
Keiner sprach mit mir um mir zu sagen, ob es ein gutes oder schlechtes Zeichen war. Ich sah immer wieder zu ihr, doch es regte sich nichts. Also begann ich wieder zu zweifeln.
Es war der Kampf von Fabienne. Der Kampf, den sie innerlich führte und ich konnte nichts machen, als hier zu sitzen und hilflos zuzusehen. Ich wusste, dass ich wach bleiben musste, doch es fiel mir schwer. Meine Augenlieder wurden immer schwerer und der Herzschlag von Fabienne war so kontinuierlich, dass er wie eine Schlafmelodie auf mich wirkte.
Ich hatte Lucia nochmal durchchecken lassen. Nachdem klar war, dass ihr wirklich nichts fehlte, hatte ich Logan gebeten, sie nach Hause zu fahren. Eigentlich hatte ich mit einem Kampf gerechnet, doch Lucia war zu erschöpft und so folgte sie meinen Anweisungen, sich endlich in ein richtiges Bett zu legen.
Das Warten brachte mich fast um den Verstand, also versuchte ich mich selbst abzulenken. Ich nutze die Zeit um mir Klar zu werden, was ich vom Leben erwartete. Nach langer Überlegung kam ich zu dem Entschluss, dass das Leben so war, wie es nun mal war. Ich konnte trotz Kontrolle und Organisation nicht alles beherrschen. Ich fühlte mich wie eine Siegerin. Den Streit, denn ich nun seit Jahren mit mir selbst führte, hatte ich endlich gewonnen.
Immer, wenn sich Fabienne in die Hand geschnitten hatte oder wenn sie sich den Arm beim Sport gebrochen hatte. Ich hatte sie alleine gelassen. So wie unsere Mutter uns alleine gelassen hatte. Ich hatte immer ein schlechtes Gewissen. Aber das war Unsinn!
Fabienne musste mir nicht leid tun. Klar, sie hatte ihre Eltern verloren, aber das hieß noch lange nicht, dass sie ein schlechtes Leben hatte. Fabienne hatte mehr als manch andere Kinder, die ihre Eltern verloren hatten. Ich hatte
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