Symbiose (Schicksal)
fahren, damit ich nicht hinters Steuer müsste.
„Es tut mir Leid das ich dich angepöbelt habe.“ Mit Tränen in den Augen sah ich zu ihr rüber.
„Ich weiß schon Youna. Es tut mir leid, ich wollte nicht, dass du weinst oder dich schlecht fühlst.“
Damit hätte ich nicht gerechnet. Wie dumm ich war. Lucia wollte sich nur bei mir entschuldigen und ich machte mir gleich wieder solche Gedanken. Ich merkte nicht einmal wirklich, dass sich meine Mundwinkel nach oben zogen. Doch nach ihrem Gesichtsausdruck verstand sie nicht einmal, über was ich mich freute. „Freust du dich darüber, dass du gewonnen hast und ich mich mal wieder bei dir entschuldigt habe?“
Das war falsch rüber gekommen. Doch bevor ich es ihr erklären konnte, fuhr sie fort.
„Ich will nicht, dass du immer gleich so ein Theater machst, wenn so was Banales wie gerade eben passiert. Ich habe mich bei dir entschuldigt, da ich vielleicht ein wenig grob zu dir war.“
„Ich versuch es ja. Aber diesmal war es nicht meine Schuld. Der Typ hat sich falsch verhalten und.“ Lucias Augen waren plötzlich irgendwo anders. Sie begann zu einem Lied zu summen, das sie ständig im Radio spielten. Es war das Lied, das wir permanent im Auto hören mussten, da es zur Zeit Fabiennes Lieblingslied war. Das änderte sich schnell bei einer Elfjährigen die scheinbar gerade in die Pubertät kam.
„Hörst du sie? Wenn wir angekommen sind muss sie unbedingt Gesangsunterricht erhalten. Glaub mir, die Leute wären uns dankbar.“ Durch die Fensterscheibe hörte sich alles gedämmt an. Man hörte nur, wie Fabienne zu der Melodie lauthals mitsang. Sie hatte scheinbar von all dem nichts mitbekommen. Oder sie ignorierte es einfach. Es war bei ihr schwer zu erkennen. Bei solchen Situationen reagierte sie immer unterschiedlich. Meist jedoch verhielt sie sich so wie jetzt.
„Wollen wir das nun klären oder nicht?“ Da war wieder die Wut von gerade eben. Ich war zwar froh darüber, dass sie scheinbar nicht vorhatte, mich in Stich zu lassen. Aber diese unbeschwerte Art ärgerte mich.
Lucia verstummte sofort. Es war merkwürdig, aber Lucia vergaß immer, dass wir einen Streit hatten, sobald es um Fabienne ging. Sie und Fabienne waren so viel besser miteinander ausgekommen. Alleine Lucias Augen, die anfingen zu glitzern, wenn sie über Fabienne sprach, steigerten meinen Zorn.
„Du denkst vielleicht ich übertreibe, aber du hast keine Ahnung, auf was ich alles Achten muss! Es ist nicht so einfach, auf eine Elfjährige aufzupassen und deren Sicherheit zu gewährleisten.“ Und da war das eigentliche Problem. Ich hasse Angst. Angst zu versagen und die falschen Entscheidungen zu treffen.
Lucia versuchte, nicht die Augen zu verdrehen. Doch es gelang ihr nicht.
„Was willst du mir jetzt schon wieder damit sagen? Weißt du vielleicht, wie es ist? Ich muss so viele Dinge beachten, die mich noch ganz wahnsinnig machen. Kannst du dir überhaupt vorstellen, wie schwer das ist?“ Diese Frage war natürlich nur ironisch gemeint, ich hatte ja selbst keine Antwort darauf. Ich hatte vielleicht das Sorgerecht erhalten, aber das lag wohl eher an Tante Céciles guten Worten vor Gericht. Wie sollte man nun mit einem Kind umgehen, das beide Eltern verloren hatte? Jeder schrieb was anderes und dadurch wusste ich gar nicht mehr, an was ich glauben sollte.
Ich sah in Lucias Blick, dass sie nichts verstanden hatte. Als ich gerade weiter machen wollte fing Lucia plötzlich an. Sie erklärte mir, dass sie genauso Bescheid wusste wie ich. Sie habe ihrer Meinung nach auch viel Verständnis gezeigt. Für die schwierige Lage, in der wir nun mal beide waren.
„Weißt du noch, als die Dame dich im Laden angesprochen hatte, als du Fabienne diese teure Uhr gekauft hast, nur weil sie wieder einmal rum gezickt hat? Ich habe verstanden, wieso du das gemacht hast. Und was habe ich der Dame gesagt?“ fragte Lucia mich. Ich konnte mich noch genau an diesen Tag erinnern. Es war wirklich schwierig mit Fabienne gewesen. Sie wusste, dass ich nach meinem Geburtstag über unser gesamtes Vermögen verfügte. Sie nutze es schamlos aus, mich bei jeder Gelegenheit um etwas zu bitten. Nein, bitten wäre zu nett. Sie zwang mich eher dazu es ihr zu kaufen. Mein Gott, es war so schwer mit ihr in der letzten Zeit. Alles, was sie wollte, bekam sie. Ich wusste, dass es nicht richtig war. Aber der Schmerz, der in ihren Augen zu sehen war, jeden Tag, wenn sie aufstand, war zu tief. Deshalb konnte ich nicht nein
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